Widerstand gegen den NS und die Hamburger Swing-Jugend

Teil 1:  Herbert Dierks: Der Hamburger Widerstand  von Herbert Dierks
Teil 2: Die Hamburger Swingjugend von Ines Stelljes

Herbert Dierks

1933 standen in erster Linie die Parteien und anderen Vereinigungen der kommunistisch, sozialistisch und sozialdemokratisch orientierten Arbeiterbewegung in schärfster Gegnerschaft zum Nationalsozialismus. Die Nazis an der Macht konzentrierten sich darauf, diese Organisationen zu verbieten, zu zerschlagen und deren Mitglieder zu verfolgen. Sie nutzten in ihrem Kampf den gesamten staatlichen Verfolgungsapparat. Hand in Hand arbeiteten Polizei, Justiz und weitere Behörden mit der NSDAP, SA und SS zusammen. Ende März 1933 wurde bereits das erste Konzentrationslager eingerichtet, das KZ Wittmoor. Anfang April 1933 begann die politische Polizei, politische Gefangene in den Gebäuden der Strafanstalten Fuhlsbüttel unterzubringen.

Gedenktafel zum KZ Wittmoor am Fuchsmoorweg in Norderstedt

Hauptamtliches Personal der Gewerkschaften und der gewerkschaftsnahen Organisationen wie das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold oder die Volksfürsorge waren genauso wie bekannte Repräsentanten der sozialdemokratisch oder kommunistisch orientierten Arbeiterbewegung betroffen. Viele der in den ersten Monaten des NS-Regimes in Hamburg Verhafteten wurden nach Stunden, einigen Tagen oder wenigen Wochen wieder freigelassen, nachdem Gleichschaltungsmaßnahmen durchgesetzt worden waren. Doch die Zeichen waren gesetzt. Die starke Arbeiterbewegung wurde innerhalb weniger Wochen brutal zerschlagen. Oppositionelle Meinungsäußerungen, das wusste im Frühjahr und Sommer 1933 jeder, wurden mit Verhaftungen und KZ-Haft sanktioniert. Auf konspirativen Treffen wurde die politische Entwicklung diskutiert, Geld zur Unterstützung von Angehörigen von Verfolgten gesammelt und die Herstellung und die Verteilung illegaler Zeitungen und Flugblätter organisiert. Verfolgte wurden versteckt oder es wurde ihnen zur Flucht ins Ausland verholfen. An diesem Widerstand beteiligten sich allein in Hamburg mehrere tausend Männer und Frauen. Widerstandsgruppen entstanden in allen Hamburger Stadtteilen.

Die Hamburger KPD organisierte unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung Hitlers ihren Fortbestand im Untergrund. Während die Nationalsozialisten an der Macht versuchten, alle kommunistischen Organisationen zu zerschlagen und deren Mitglieder und Anhänger mit Massenverhaftungen, Misshandlungen und KZ-Haft zu terrorisieren, bildeten sich in den Stadtteilen und großen Betrieben illegale Gruppen der KPD.

Etwa 4000 Mitglieder zählte die illegale KPD im Herbst 1934. Junge Kommunistinnen und Kommunisten, etwa 2000 Mädchen und Jungen, waren im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) organisiert und am Widerstand beteiligt. Die Gestapo versuchte 1933, diesen Verband zu zerschlagen, aber viele der Gruppen des Hamburger KJVD setzten die Arbeit illegal fort. Die illegale Arbeit war vielfältig und reichte von der Zahlung der Mitgliedsbeiträge bis hin zur Erstellung illegaler Flugblätter und Zeitungen.

Stolperstein für Walter Möller in der Eppendorfer Kegelhofstraße

Sehr wichtig waren der Protest gegen die Hinrichtung der Altonaer Kommunisten Bruno Tesch, August Lütgens, Walter Möller und Karl Wolff am 1. August 1933 wegen ihrer angeblichen Beteiligung an der Schießerei am “Altonaer Blutsonntag“ 1932.

Am kommunistischen Widerstand beteiligten sich auch die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition, der Arbeitersport und die Rote Hilfe. Unabhängig von der KPD beteiligten sich in Hamburg die Trotzkisten sehr aktiv am Widerstand. Zwischen 1933 und 1939 wurden in Hamburg etwa 8500 Kommunistinnen und Kommunisten verhaftet. Ob im Konzentrationslager, im Zuchthaus oder im Gefängnis Fuhlsbüttel – unter den politischen Häftlingen stellten die Frauen und Männer aus dem kommunistischen Widerstand in diesen Jahren die weitaus größte Gruppe, und sie hatten sehr viele Toten zu verzeichnen.

Der illegale Widerstandskampf von Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen begann in Hamburg nach dem Verbot der SPD am 22. Juni 1933. Trotz der bereits bekannten persönlichen Risiken wie Verhaftung, Misshandlungen und Einweisung in ein Konzentrationslager wurde der Kontakt untereinander auf Stadtteil-, Betriebs- oder Distriktebene vielfach aufrechterhalten und versucht, die politischen Organisationen in der Illegalität fortzuführen. Sehr bald wurden heimlich Flugblätter hergestellt und verteilt, in denen der reaktionäre Charakter und die Verbrechen des Naziregimes angeprangert wurden und in denen zum Protest aufgerufen wurde.

Der Sozialdemokrat Walter Schmedemann führte illegale Stadtteilorganisationen der SPD, der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold zu einer Widerstandsgruppe mit ca. 500 Mitgliedern zusammen. Daneben existierten kleinere Gruppen in Betrieben und Stadtteilen. Es wurden Kontakte zu Emigrantenkreisen im Ausland und zum Exilvorstand der SPD in Prag hergestellt und von dort illegale Schriften nach Deutschland geschmuggelt. Von 1934 bis 1937 führte die Gestapo mehrere große Verhaftungsaktionen gegen diese Widerstandsgruppen durch. Mit den Verhaftungen von 1937 endete der organisierte sozialdemokratische Widerstand in Hamburg.

Einer nach Kriegsende angefertigten Aufstellung zufolge waren über 1500 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unter der NS-Diktatur insgesamt über 2000 Jahre in Haft.

Gemeinsam bemühte sich der sozialdemokratische und der kommunistischen Widerstand darum, Misshandlungen, Aussageerpressungen, Folter, Mord und Totschlag im Konzentrationslager Fuhlsbüttel gezielt öffentlich bekannt zu machen. Ihnen ging es insbesondere um die Durchsetzung von Verbesserungen für die Gefangenen.

Zwei Initiativen aus dem Jahre 1934 waren besonders öffentlichkeitswirksam: Walter Schmedemann verfasste unmittelbar nach seiner zweiten Entlassung aus dem KZ Fuhlsbüttel einen mehrseitigen Bericht. Er beschrieb den Terror und nannte sowohl einzelne Haupttäter als auch Opfer bei Namen. Dieser Bericht wurde heimlich, von sozialdemokratischen Widerständlern vervielfältigt und allen Hamburger Richtern, Staatsanwälten, Pastoren, ranghohen Vertretern der NSDAP und des Staates und wichtig erscheinenden Repräsentanten des öffentlichen Lebens anonym übermittelt.

Ein ähnliches anonymes Schreiben mit einer Auflistung der von der Staatspolizei, SA und SS Ermordeten wurde im Sommer 1934 von der illegalen KPD verbreitet. Die Zustände in den Fuhlsbütteler Strafanstalten seien eine Schande für Deutschland, heißt es in diesem Schreiben.

Eine wichtige Rolle spielte auch das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold wurde 1924 als überparteiliche Organisation zur Verteidigung der Weimarer Republik gegründet gegen deren Feinde von rechts und links, gegen NSDAP und KPD. Jüngere Mitglieder des Reichsbanners, die gesund und körperlich fit waren, wurden seit 1930 in „Schutzformationen“ (Schufos) des Reichsbanners, Einheiten mit jeweils 150 Mann, organisiert.

Gedenktafel an die illegale Druckerei der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) in der Bergedorfer Heysestraße

Etliche Schutzformationen blieben illegal bestehen. Sie verteilten Flugblätter, Zeitungen und Schriften der illegalen SPD. Auch mehrere Waffenlager wurden angelegt. Erst 1937 gelang es der Gestapo, die letzten illegalen Schufo-Gruppen zu zerschlagen. Dabei wurden weit über 100 Mitglieder verhaftet.

Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) war 1931 in Berlin in Abgrenzung von SPD und KPD gegründet worden. Zu ihren Zielen gehörte die Schaffung einer Einheitsfront der deutschen Arbeiterbewegung gegen den aufkommenden Nationalsozialismus. Mit dem 30. Januar 1933 verloren die politischen Differenzen mit der SPD an Bedeutung. Franz Bobzien, der Hamburger Vorsitzende der Jugendorganisation der SAP, des Sozialistischen Jugendverbandes Deutschlands (SJVD), organisierte den Übergang von SAP-Gruppen in die Illegalität. Sogenannte Fünfergruppen wurden gebildet. Die Verbreitung eines Flugblattes mit dem Titel „Bildung einer proletarischen Einheitsfront gegen den Faschismus“ führte 1934 zu Verhaftungen und zur Zerschlagung dieser Widerstandsgruppe.

Der Internationale Sozialistische Kampfbund (ISK) spielte im Hamburger Widerstand eine nicht unbedeutende Rolle. Der langjährige SPD- Bundestagsabgeordneter Helmut Kalbitzer war ein bekanntes Mitglied dieser Partei, die 1925 von dem Göttinger Philosophieprofessor Leonard Nelson gegründet worden war. Sie vertraten einen “ethischen Sozialismus”.  Ostern 1933 beschloss der ISK seine illegale Weiterführung. In der Illegalität arbeitete der ISK streng konspirativ. Nachrichten wurden mit unsichtbarer Tinte geschrieben und geheime Zeichen verabredet. Wegen der hoch entwickelten konspirativen Methoden des ISK gelang es der Gestapo nur durch einen Zufall, 1936 erste Verhaftungen vorzunehmen und den illegalen ISK dann bis Anfang 1938 zu zerschlagen.

Mahnmal für den im KZ Neuengamme umgekommenen Erwin Wehmeijer, Mitglied der Zeugen Jehovas

Auch aus religiöser Motivation wurde sich der NS-Diktatur widersetzt; hier ist insbesondere der Widerstand der Zeugen Jehovas zu nennen.  Im Juli 1933 wurde die Hamburger Bibelforschervereinigung verboten, die kleine Glaubensgemeinschaft der „Zeugen Jehovas“. Sie reorganisierte sich jedoch heimlich, beschaffte sich einen Vervielfältigungsapparat, druckte illegal ihre Schriften und versuchte, die Bevölkerung über den antichristlichen Charakter des NS-Regimes aufzuklären. Einer Verhaftungswelle Ende 1937 folgte eine Reihe von „Bibelforscher-Prozessen“ gegen 77 Männer und 110 Frauen vor dem Hanseatischen Sondergericht. 1937 waren zeitweilig über die Hälfte aller Gefangenen im Konzentrationslager Fuhlsbüttel Zeugen Jehovas.

Der Beginn des 2. Weltkrieges bedeutete für den von der Gestapo weitgehend zerschlagenen Widerstand eine Niederlage, hatte er doch zum Ziel gehabt, den drohenden Krieg zu verhindern. Mit Kriegsbeginn erließen die Nationalsozialisten zahlreiche neue Gesetze, die Widerstand, Protestäußerungen und Verweigerungen unter schwerste Strafen stellten. Immer häufiger wurde selbst bei Bagatelldelikten wie zum Beispiel dem Abhören ausländischer Sender oder kritischen Äußerungen zum Kriegsverlauf die Todesstrafe verhängt.

Doch der Kriegsverlauf, die Massenverbrechen an den Fronten und in den besetzten Ländern und die einschneidenden wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in Deutschland mobilisierten neue Widerstandskräfte. So gehörten der Gruppe um Helmuth Hübener oder dem Hamburger Zweig der „Weißen Rose“ junge Menschen an, die 1933 noch Kinder waren und in der NS-Zeit zur Schule gingen.

Ein Straßenschild in Hamburg-St. Georg ehrt Helmuth Hübener

Die Helmuth-Hübener-Gruppe war sehr früh, 1941, aktiv. Helmuth Hübener, Rudolf Wobbe und Karl-Heinz Schnibbe bildeten den Kern dieser Gruppe. Alle drei gehörten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an, also den Mormonen. Ein vierter Jugendlicher schloss sich später dieser Gruppe an. Das war Gerhard Düwer, wie Helmuth Hübener Verwaltungslehrling bei der Hamburger Sozialverwaltung. Helmuth Hübener hörte regelmäßig ausländische Rundfunksender ab und verbreitete das Gehörte auf Streuzetteln weiter. Von 1941 an verfasste Helmuth Hübener über 20 längere Flugblätter, die vor allem die Wehrmachtsberichte und Nachrichtensendungen kommentierten und korrigierten. Sie wurden vervielfältigt, heimlich an öffentlich zugänglichen Orten abgelegt, in Briefkästen gesteckt oder Soldaten an der Front zugeschickt. Im Februar 1942 wurden Helmuth Hübener und seine Freunde von der Gestapo verhaftet und in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert. Helmuth Hübener, geboren am 8. Januar 1925, war 17 Jahre alt, als er am 27. Oktober 1942 im Zuchthaus Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil hingerichtet wurde. Seine Freunde Rudolf Wobbe, Karl- Heinz Schnibbe und Gerhard Düwer, zwischen 16 und 18 Jahren alt, erhielten in demselben Prozess Strafen zwischen 4 und 6 Jahren Gefängnis.

Die sogenannten „Swing-Jugendlichen“ versuchten, sich dem HJ-Dienst zu entziehen. In der Öffentlichkeit provozierten sie mit ihrer auffälligen Kleidung und Haartracht – die Jungen trugen ihre Haare gerne schulterlang. Bei passender Gelegenheit wurden Repräsentanten des NS-Regimes und angepasste HJ-Führer mit Spott überzogen. In proletarischen Stadtteilen Hamburgs wie Hamm, Hammerbrook, Rothenburgsort oder Barmbek wurden die Auseinandersetzungen zwischen HJ und „Swings“ zuweilen handgreiflich. In Hamburg wurden ab Oktober 1940 bis 1944 400 Jugendliche, die der „Swing-Jugend“ zugerechnet wurden, verhaftet und in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert. 40 bis 70 der Verhafteten wurden von dort in die Jugendkonzentrationslager Moringen und Uckermark oder in das KZ Neuengamme überstellt.

Die ehemalige Buchhandlung Tuchel am Gänsemarkt war ein Treffpunkt des Hamburger Zweiges der „Weißen Rose“

 

Bürgerliche Kreise hatten sich in der Zeit vor Beginn des Krieges kaum am Widerstand beteiligt; dieser wurde ganz überwiegend von Angehörigen der Arbeiterbewegung geleistet. Während des Krieges bildeten sich in Hamburg jedoch Gruppen, die nach Kriegsende als Hamburger Zweig der Münchener studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ bezeichnet wurden. Diesen Gruppen, die untereinander in losem Kontakt standen, gehörten etwa 50 Frauen und Männer an. Sie trafen sich heimlich zu Lesungen verbotener Bücher und zu Diskussionen privat, in der Buchhandlung der Agentur des Rauhen Hauses, in der Hamburger Bücherstube Felix Jud und an anderen Orten. Aufgrund der Verbindungen zur Münchner „Weißen Rose“ wurden deren Flugblätter und Aktionen diskutiert und eigene Aktivitäten entwickelt. Ende 1943 begannen Verhaftungen durch die Gestapo. Etwa 30 Frauen und Männer wurden im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert, sechs Verhaftete starben in Konzentrationslagern und Gefängnissen, zwei wurden im April 1945 auf Befehl der Gestapo im KZ Neuengamme ermordet.

Sehr bedeutsam war die Widerstandsgruppe „Bästlein-Jacob-Abshagen“, deren Kern die bis 1940 aus den Konzentrationslagern und Zuchthäusern entlassenen kommunistischen Hamburger Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer bildeten. Die Hamburger Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen waren 1939 und 1940 aus dem KZ Sachsenhausen entlassen worden. Ab 1941 bauten sie eine Widerstandsorganisation auf, die 1942 in etwa 30 Werften und Fabriken mit illegalen Betriebszellen vertreten war.

In Hamburg-Neuallermöhe erinnert ein Straßenschild an Margit Zinke, Mitglied der Widerstandsgruppe „Bästlein-Jacob-Abshagen“

Insgesamt schlossen sich etwa 300 Frauen und Männer den einzelnen Gruppen der Organisation an. In die illegale Arbeit konnten auch mehrere Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einbezogen werden, die in den Betrieben für die Rüstung arbeiteten.

Die Aktivitäten waren vielfältig und reichten von traditionell gewerkschaftlichen Forderungen wie besserer Bezahlung und Verweigerung von Überstunden bis hin zu Aufforderungen zur Sabotage bei der Rüstungsproduktion. Der Gestapo gelang es im Oktober 1942, die Aktivitäten dieser Organisation aufzudecken und über 100 Mitglieder – Frauen und Männer – zu verhaften. Etwa 70 Frauen und Männer, darunter Robert Abshagen, Bernhard Bästlein und Franz Jacob, wurden hingerichtet, von der Gestapo ohne Urteil ermordet oder starben in der Haft.

Weitherhin gab es die Gruppe „Etter-Rose-Hampel“ und die Gruppe „Kampf dem Faschismus“ und den vielfach geleisteten Widerstand von ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die in Hamburg vornehmlich in der Rüstungsproduktion tätig waren, ist.

Stolperstein für Werner Etter in der Alsterdorfer Straße in Hamburg-Winterhude

Es gab aber auch Menschen, die allein die Widerstand leisteten, indem sie zum Beispiel sich in den Betrieben solidarisch gegenüber dort eingesetzten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern verhielten, kritische Meinungen zum Kriegsverlauf verbreiteten oder anderen Verfolgten halfen. Mancher Denunziation folgte die Verhaftung durch die Gestapo und hohe Strafen. (Siehe Yvonne Mewes)

Der Nationalsozialismus hatte eine Massenbasis; das Regime war im Inneren Deutschlands übermächtig. Der Widerstand hatte dennoch eine sehr große Bedeutung, er zeigt, dass es immer ein sogenanntes anderes Deutschland gegeben hat. Ihm haben die Deutschen viel zu verdanken, letztendlich ihre Rückkehr in die Völkergemeinschaft, ihr Ansehen in der Welt, aber auch die eigene Selbstachtung in Betrachtung der Geschehnisse 1933 bis 1945.

Ines Stelljes

Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus war ein „Widerstand ohne Volk“. Eine breite Widerstandsbewegung (wie z.B. die „Résistance“ in Frankreich gegen die deutsche Besatzung, 1940-Ende 1944) hat es in Deutschland nicht gegeben.

Stattdessen gab es eine Vielzahl von Individuen oder Kleingruppen, die sich zusammenfanden und dann für eine gewisse Zeit zusammenarbeiteten und in vielen verschiedenen Formen widerstand leisteten. Bis auf den militärischen Widerstand, der unter der Leitung von dem Oberst Claus Schenk Graf Stauffenberg am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Hitler ausübte, erwies sich keine Gruppe als staats- oder systemgefährdend. Das Attentat auf Hitler misslang und die Widerstandsorganisation wurde nach ca. 24 Stunden zerschlagen.

In Hamburg fanden sich vor allem Widerstandsgruppen mit sozialdemokratischem und kommunistischem Hintergrund. Die Mitglieder der beiden schnell nach der Machtübernahme verbotenen Parteien standen sich in der Weimarer Republik stets kritisch, oft feindselig gegenüber. Dir größte Widerstandsgruppe in Hamburg, die Jacob-Bästlein-Abshagen-Gruppe mit ungefähr 300 Mitgliedern war kommunistisch. Nachdem die Verhaftungswellen der Nationalsozialisten auch Sozialdemokraten trafen, gab es im Widerstand dennoch Zusammenarbeit und Solidarität von Kommunisten und Sozialdemokraten. Ein Beispiel kann der sozialdemokratische und kommunistische Widerstand in Barmbek und Dulsberg sein, der oft zusammenarbeitete. Aber auch in der Haft hielt man zusammen (siehe Thema KolaFu/Neuengamme).

Neben dem politisch motivierten und organisiertem Widerstand fanden sich in Hamburg Mitglieder der weißen Rose, der Jehovas Zeugen und WiderstandskämpferInnen aus christlichen und humanistischen Motiven. (Siehe Zeitgenossin Yvonne Mewes) Diese waren im Laufe der NS-Diktatur gelegentlich mit einander in Kontakt.

Eine andere Gruppe von Widerständlern und Andersdenkenden bildete die Hamburger-Swing-Jugend. Dabei stellt sich die Frage, ob ihre Aktionen Widerstand waren.

Die Typen von anderen widerständigen Aktionen konnten ganz unterschiedlicher Art sein. Sie reichten von der Non-Konformität über Verweigerung und Protest bis zum aktiven Widerstand.

Der Historiker Detlev Peukert hat die „Formen abweichenden Verhaltens im Dritten Reich“ anhand eines Schaubildes charakterisiert.

Den Menschen im Widerstand werden dabei zwei Merkmale zugeordnet. Auf der y-Achse wird dargestellt, wie weit die Kritik am Nationalsozialismus reichte. Bezog er sich nur auf einzelne Teile der Nationalsozialistischen Weltanschauung oder verurteilte man den Nationalsozialismus komplett? Auf der x-Achse wird der der Ort der Kritik angezeigt.  Wo und vor wem äußerte man seine Kritik? Schimpfte man nur in der Familie oder auch auf öffentlichen Versammlungen?

In Hamburg wurde der Widerstand von  Mitgliedern der SPD und KPD organisiert, es gab zudem Mitglieder der Weißen Rose. Christen und Humanisten versuchten, sich nicht anzupassen, Jehovas Zeugen verweigerten den Kriegsdienst. Viele dieser Menschen wurden verhaftet und verurteilt, litten und starben in Gefängnissen und KZ.

Ein spezieller Fall war die Hamburger Swingjugend. Die Begeisterung für amerikanische Swingmusik war das gemeinsame Merkmal für viele oppositionelle Jugendcliquen in Hamburg in der Zeit von 1933 bis 1945. Zunächst waren diese Jugendlichen nicht unbedingt politisch. Sie fügten sich aber nicht in die Disziplin und die Obrigkeitshörigkeit der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel. Sie trugen englisch-inspirierte Mode und  trafen sich, um mit der Swing-Musik zu feiern. Swingmusik wurde im Dritten Reich nie verboten, aber sie zu hören und danach zu tanzen, galt als „undeutsch“ und „entartet“.

Der Swing selbst ist eine Unterart des Jazz, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Süden der USA von den ehemaligen afrikanischen Sklaven entwickelt wurde. Kennzeichnend sind im Rhythmus viele Synkopen. Das bedeutet, dass in Musik-Takten eigentlich unbetonte Noten betont werden. Dadurch entsteht ein spannungsreicher Rhythmus. Der Swing ist eine Weiterentwicklung des Jazz in den 20er Jahren. Er ist sozusagen die tanzbare Variante, dessen Melodien harmonischer als die des Jazz klingen. Mit dem Swing entstanden auch große Big Bands, in denen die Bläsergruppe die wichtigsten Instrumente waren. Berühmte Jazz-Interpreten aus den USA waren z.B. Benny Goodman, Duke Ellington, Louis Armstrong, Glen Miller oder Ella Fitzgerald.

Ab 1940 wurden die Jugendlichen, die Swing hörten, von der Gestapo hart verfolgt. Hunderte von Jugendlichen wurden zeitweilig verhaftet, im Fuhlsbütteler Gefängnis inhaftiert und einige auch schließlich in das Jugend-KZ Moringen oder in das KZ – Neuengamme gebracht.

Einzelschicksal und Forschungszugänge:

Hans Viau im Konzentrationslager Neuengamme


 

Grundlegende Literatur:

Alenka Barber-Kersovan , Gordon Uhlmann: Getanzte Freiheit: Swingkultur zwischen NS-Diktatur und Gegenwart, Hamburg 2002.

 

Bildnachweise:
Abb. Titelfeld: Gedenkstein für Margarethe Rothe und Erna Stahl (Ausschnitt), nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Garten-der-frauen-gretha-rothe.JPG).

Abb. Thementext: Gedenktafel KZ Wittmoor, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tafel_am_Gedenkstein_Wittmoor_Fuchsmoorweg.jpg) / Stolperstein für Walter Möller, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stolperstein_Kegelhofstra%C3%9Fe_13_(Walter_M%C3%B6ller)_in_Hamburg-Eppendorf.JPG) / Gedenktafel Druckerei der SAP, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bergedorf_Heysestra%C3%9Fe_5,_Gedenktafel_SAP.JPG) / Mahnmal für Jehovas Zeugen Erwin Wehmeijer, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Neuengamme_Gedenkhain_Erinnerung_an_einen_ermordeten_Zeugen_Jehovas.JPG) / Straßenschild Helmuth-Hübener-Gang, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stra%C3%9Fenschild_Helmuth-H%C3%BCbener-Gang.JPG) / Ehemalige Buchhandlung Tuchel am Gänsemarkt, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Weisse_Rose_Hamburg_08.jpg) / Straßenschild Margit-Zinke-Straße, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Margit-Zinke-Stra%C3%9Fe.JPG) / Stolperstein für Werner Etter, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Werner_Etter_-_Alsterdorfer_Stra%C3%9Fe_40_(Hamburg-Winterhude).Stolperstein.crop.ajb.jpg) / Grafik, bearbeitet nach: Forum Geschichte, Bd. 4: Vom Ende des ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart, hrsg. Von Hans-Otto Regenhardt und Claudia Tatsch, Berlin 20031, S. 127.