Hitler und die Hamburger

Hitler und Hamburg

Sarah Schmidt

1947 begann in Hamburg eine Legendenbildung: Rudolf Petersen (CDU), der nach Kriegsende für etwa eineinhalb Jahre Bürgermeister gewesen war, behauptete, die Hamburger Bevölkerung habe einen mäßigenden Eindruck auf die radikalen Ideen der NSDAP ausgeübt. Diese Legende hielt sich in den Nachkriegsjahren lange. Es wurde sogar behauptet, dass Hitler Hamburg gemieden habe, weil es entweder zu „rot“ oder zu hanseatisch-kühl sei. All dies stimmt nicht. Untersuchungen der „Forschungsstelle für die Geschichte des Nationalsozialismus in Hamburg“, heute „Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg“,  deckten auf, das das Gegenteil der Fall war.

Ausgenommen von Berlin, München und Nürnberg – die alle drei als sogenannte Führerstädte eine Funktion im System des Nationalsozialismus hatten – hat Hitler keine Stadt so oft besucht wie Hamburg. Dreiunddreißig mal kam er zwischen 1925 und 1939 in die Hansestadt. Neunzehn mal war er vor der Machtübertragung hier. Verschiedenste gesellschaftliche Gruppen bewirteten, begrüßten und bejubelten ihn.

Vor 1933 war Hitler als Wahlkämpfer und Redner in Hamburg. Er sprach 1926 vor dem konservativen „Nationalklub von 1919“, der ihn in den folgenden Jahren noch häufiger einladen sollte. Eines der Vorstandsmitglieder des Clubs, Carl Vincent Krogmann, pflegte eine freundschaftliche Beziehung zu Hitler – er würde ihm während der Herrschaft des Nationalsozialismus als Hamburgs regierender Bürgermeister dienen. Als Reeder und Kaufmann öffnete er der NSDAP den Weg in Hamburgs Wirtschaftskreise. Dort warb Hitler um Mittel für die Partei. Im selben Jahr veranstaltete er das erste Mal eine Wahlkundgebung in Sagebiels Fährhaus, einem Ausfluglokal in Blankenese. Dort sollte er häufiger auf Veranstaltungen zu Gast sein. Ebenfalls 1926 musste der Circus Busch für eine Rede von Hitler vor dem Landvolk Schleswig-Holsteins angemietet werden. Die Besucherzahlen wuchsen stetig: Waren es 1927 noch 3.200, so wurden 1930 schon um die 15.000 Eintrittskarten für Hitlers Wahlkampfauftritte verkauft. Aber auch private Reisen führten ihn nach Hamburg, Cuxhaven und Helgoland.

Das Hotel Phönix wurde von ihm als Quartier für Wahlkampftouren im Norden benutzt. 1930 häuften sich seine Aufenthalte. 1932 war er wieder im Sagebieler Fährhaus zu sehen. Zum Anlass der Reichstagswahl redete er in Hagenbecks Tierpark. Im April 1932 versammelten sich auf der Radrennbahn Stellingen, damals noch außerhalb der Grenzen der Stadt Stadtgrenze, 120.000 Menschen. Im Juli bespielte Hitler den Victoria-Sportplatz an der Hoheluftchaussee, im Oktober desselben Jahres die Ausstellungshallen in Altona.  Sogar kritische Bildungsbürger ließen sich von Hitlers Reden begeistern. Es war gar nicht mehr wichtig, was er sagte, sondern wie er es sagte. Er konnte sich auf sein Publikum einstellen: Vor Kaufleuten hetzte er nicht gegen Juden, Gewerbetreibenden und Handwerkern versprach er weniger Steuern.

Am Rathausmarkt klettern viele Kinder für eine bessere Sicht auf die Fahnenmasten

Erst am 17. August 1934, weit mehr als ein Jahr nach der Machtübertragung machte Hitler einen offiziellen Staatsbesuch in der Hansestadt. Er kam in eine vorbereitete Stadt, auf deren Führung er sich verlassen konnte. Die SPD-Senatoren waren am 3. März 1933 kollektiv zurückgetreten, weil sie nicht der Anweisung von Reichsinnenminister Frick (NSDAP) Folge leisten wollten, die SPD-nahe Zeitung „Hamburger Echo“ zu verbieten. Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 besetzten abends SA-Einheiten das Rathaus. Bürgermeister Carl Wilhelm Petersen, trat nun von seinem Amt zurück. Am 8. März 1933 wurde durch eine Koalition aus NSDAP, Staatspartei, DNVP und DVP ein neuer Senat gewählt. Nun konnte die Huldigung des NSDAP-Führers beginnen. Hitler wurde schon zu seinem 44. Geburtstag, am 20.4.1933 die Ehrenbürgerwürde verliehen, der Rathausplatz, die Bebelallee und eine Volksschule in Eilbek wurden nach ihm benannt.

Für den ersten offiziellen Besuch Hitlers wurden 1934 alle Schulklassen vom Unterricht befreit und sollten „dem Führer“ zujubeln. Sogar jüdische Schüler durften an den Straßen stehen und sollten winken. Die zusätzliche Ausschmückung der Straßen mit Schulkindern wäre nicht notwendig gewesen. Der Jubel der Bevölkerung war überragend. Sogar die Arbeiter bei Blohm und Voss bei zeigten Begeisterung bei Hitlers Besuch.

Hitler im Gespräch mit Werftarbeitern

 

1935 konferierte Hitler mit Krogmann auf einem Schiffsausflug über die Umgestaltung der Stadt. Im März 1936 drängte sich das Volk schon viele Stunden vor der Ankunft Hitlers auf den Straßen. Das bürgerliche Hamburger Fremdenblatt schrieb, Hamburg bereite Hitler einen „unvergesslichen“ Empfang. Im Juni des Jahres besuchte Hitler Hamburg zum Stapellauf des Segelschulschiffes „Horst Wessel“ und fuhr dann mit dem Flottenbegleitschiff „Grille“ über die Elbe wieder davon. 11 Monate später kam er zum Stapellauf  des „Kraft durch Freude“-Kreuzfahrtschiffes „Wilhelm Gustloff“ in die Stadt.

Der Stapellauf der „Wilhelm Gustloff“ am 5. Mai 1937

Jetzt begrüßte ihn tosender, „unbeschreiblicher“ Jubel. Nun konnte er sich als sich als der „Schöpfer Groß-Hamburgs“ feiern lassen.

Durch das Groß-Hamburg-Gesetz waren die bisher preußischen Nachbarstädte Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg an Hamburg angeschlossen worden. Die Werften florierten durch die beginnende Aufrüstung. Hitlers Besuche und die Stapelläufe wurden zu großen Festen. Hitler versprach den Hamburgern, er wolle die Stadt mit gigantischen Bauten zu einem „Wahrzeichen des Dritten Reiches“ machen.

Gauleiter Karl Kaufmann schrieb im März 1938, Hamburgs Menschen hätten „ihr Herz in offenen Händen vor Adolf Hitler niedergelegt“. Er beschreibt den Massenrausch. Für die Anziehungskraft Hamburgs auf Hitler gibt es außer persönlichen Freundschaften keine Erklärung. Es mag sein, dass er Kaiser Wilhelm II. nacheiferte, der die Hansestadt besonders schätzte. Die übergroße Mehrheit der Hamburger verehrte Hitler. Aber nicht alle machten mit, viele hielten sich kritisch im Hintergrund.

Nach Kriegsbeginn erschien Hitler nicht mehr in Hamburg. Und im Sommer 1943 endete die Euphorie der Hamburger. Die Stadt lag in Trümmern, wurde aber vom „Führer“ gemieden.

Nach:

Werner Johe: Hitler in Hamburg. Dokumente zu einem besonderen Verhältnis; Ergebnisse-Verlag, Hamburg 1996.

Karl-Heinz Janssen: Hitler und die Hamburger, in: Die Zeit, 10. Januar 1997, http://www.zeit.de/1997/03/Hitler_und_die_Hamburger (abgerufen am 28.08.2017).

 

Bildnachweise:

Abb. Titelfeld: Hitler und Eiferin auf der Mönckebergstraße, Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_233-11=03_340817_26 (Ausschnitt).

Abb. Thementext: Hitler auf der Mönckebergstraße, Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_233-11=03_340817_53 / Kinder am Rathausmarkt, Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_233-11=03_340817_50 / Hitler und Werftarbeiter, Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_233-11=03_340817_7 / Stapellauf der „Wilhelm Gustloff“ 1937, mit freundlicher Erlaubnis von Stefan Bick (www.hamburg-Motiv.de).