Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während der NS-Zeit 1933-1945

Von Shlica Weiß 

Schon Jahre vor Machtübernahme des Deutschen Reiches von Adolf Hitler und den Nationalsozialisten standen „Zigeuner“ unter polizeilicher Überwachung, sie wurden von der Mehrheitsgesellschaft stigmatisiert, als „kriminell“ und „asozial“ denunziert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dabei standen sie unter besonderer Beobachtung von staatlichen und kommunalen Behörden, wie z.B. der Polizeibehörde.

Mit Machtantritt der Nationalsozialisten verschärfte sich die Situation und die rechtliche Stellung für Sinti und Roma. Im Juni 1938 ordneten die Nationalsozialisten die Maßnahme „Arbeitsscheu Reich“ an. Hierbei wurden Menschen, die von den Nazis als „fremd“ und „asozial“ gesehen wurden verhaftet und in Konzentrationslagern verschleppt und eingesperrt. In Hamburg wurden aufgrund dessen ca. 100 bis 150 Sinti und Roma von der Kriminalpolizei in „Vorbeugungshaft“ genommen. Sie wurden in das Konzentrationslager Sachsenhaus eingesperrt.

Auf Grundlage der „Nürnberger Gesetze“ entzog man den „Zigeunern“ genau wie den Juden die „Reichszugehörigkeit“. „Zigeunern“ wurde „Fremdartigkeit und Minderwertigkeit“ attestiert, sie seien nicht würdig zu leben. Ihr Dasein wurde von den Nazis als Problem gesehen und man wollte sich ihrer entledigen. Den Weg hierfür ebnete unter anderem Heinrich Himmler 1938 gemeinsam mit dem „Reichskriminalpolizeiamt“ und der „Rassenhygienischen und bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle“ mit der „Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse“ heraus.

Den Hamburger Sinti und Roma wurden Wandergewerbescheine durch die Sozialbehörde entzogen, sie wurden polizeilich erfasst und Fürsorgeleistungen wurden gekürzt. Ihre Wohnwagenplätze wurden eingezäunt. Sie wurden verstärkt entrechtet und diskriminiert. „Zigeunerkinder“ wurden erst in „Hilfsschulen“ versetzt und dann ausgeschult. Zudem fanden Zwangsterilisationen statt. 1939 plante die Baubehörde in Hamburg ein „Zigeunersammellager“. Dieses Lager sollte von Stacheldraht eingezäunt und polizeilich bewacht werden. Die Häftlinge sollten das Lager nur noch zur Arbeit verlassen dürfen. Entstehen sollte dieses Lager im Stadtteil Billstedt-Öjendorf, auf der Fläche des heutigen Öjendorfer Parks. Mit dem „Festsetzungserlass“ vom Oktober 1939, welches Sinti und Roma das Reisen und Wandern verbot, wurden die Bauarbeiten des Lagers eingestellt. Es wurde geplant, alle Sinti und Roma sehr bald in den Osten Europas zu verschleppen.

Die Verfolgungsmaßnahmen gegen Sinti und Roma wurden nun ausgeweitet und radikalisiert. Von der damaligen Hamburger Gesellschaft und Öffentlichkeit gab es keinerlei Widerstand zu den verübten Maßnahmen gegen Hamburger Sinti und Roma, im Gegenteil, diese wurden begrüßt.

Am 27.April 1940 erhielt die Hamburger Kriminalpolizeileitstelle einen Schnellbrief vom SS-Reichsführer und Chef der Deutschen Polizei. Dieser Schnellbrief ordnete die „Umsiedlung von Zigeunern“ an.

Am Morgen des 16.Mai 1940 wurden ca. 550 Sinti und Roma verhaftet, unter ihnen auch Kinder, Alte, Kranke und Schwangere. Gleichzeitig wurde ihnen ihr Besitz von Kriminal- und Schutzpolizisten geraubt. Auf Lastwagen wurden die Hamburger Sinti und Roma mit nur wenig Habe in das Sammellager „Fruchtschuppen C“ gebracht. Sie ahnten nicht, was ihnen Schreckliches noch bevorstehen würde. Fünf Tage mussten sie hier ausharren, eingesperrt und polizeilich bewacht, bevor sie dann am 20.Mai in Waggons vom Hannoverschen Bahnhof aus in ein Konzentrationslager in Belzec, welches sich im „Generalgouvernement“ im besetzten Polen befand, verschleppt wurden.

Hier angekommen mussten sie zunächst einen Stacheldraht um das Lager ziehen. Mehrere hundert Juden waren in diesem Lager bereits eingesperrt. Im Lager herrschten katastrophale Zustände. Es gab keine medizinische Versorgung, weder fließend Wasser noch Toiletten. Die Häftlinge mussten schwere  Zwangsarbeit leisten, die Todesrate war hoch.

Mit Inkrafttreten des „Auschwitz-Erlasses“ am 16.Dezember 1942 ordnete SS-Reichsführer Heinrich Himmler die Ermordung aller noch im Reichsgebiet verbliebenen „Zigeuner“ an. Daraufhin wurden am 11. März 1943 ca. 328 Sinti und Roma aus Hamburg in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt, weitere 26 Sinti- und Romakinder sowie Jugendliche folgten am 18.April 1944. Von den achttausend über den Hannoverschen Bahnhof verschleppten Sinti und Roma überlebten nur einige Hundert.

In ganz Europa fielen dem Völkermord ca. 500.000 Sinti und Roma zum Opfer.

 

Zum Weiterlesen

  • Die Nationalsozialistische Verfolgung Hamburger Sinti und Roma, Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, 2002
  • In den Tod geschickt. Die Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg 1940 bis 1945, Behörde für Kultur, Sport und Medien, in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Metropol Verlag, Hamburg, 2009