Udo Lindenberg – Ein Rocker will in die DDR

Er wurde geboren als Udo Gerhard Lindenberg am 17. Mai 1946 in Gronau in Westfalen. Lindenberg ist Rockmusiker, Maler und Schriftsteller. Seine Musik und seine Kunst sind politisch und gesellschaftskritisch, liebevoll und humorvoll. Sie erzählen von Liebe und Frust, vom Alltagsleben einfacher Leute und von den Gefahren, die einer bunten Gesellschaft drohen.

Lindenberg begann seine Musikerkarriere als Schlagzeuger. In den siebziger Jahren schrieb er eigene Texte und sang sie selbst. Er war einer der ersten, der in deutscher Sprache schrieb. Ihm ist zu verdanken, dass Rocksongs mit deutschen Texten in der Bundesrepublik populär wurden. Seine Sprache ist schnodderig und poetisch zugleich. Mit diesem Markenzeichen sang er sich in die Ohren und Herzen west- und ostdeutscher Fans. Denn Udo Lindenberg kümmerte sich auch sehr um Rockfans in der DDR.

Die Entspannungspolitik, begonnen von Bundeskanzler Willi Brandt und dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Egon Bahr, ermöglichte nähere Kontakte zwischen Bürgern der DDR und der Bundesrepublik.  1972 wurde der Grundlagenvertrag zwischen DDR und BRD unterzeichnet. Er ermöglichte mehr Kontakte zwischen den Bürgern der beiden Staaten. Unter anderem gab es Tagesvisa für einen Besuch in Ost–Berlin. Dies nutzte Udo Lindenberg für etliche Besuche und verliebte sich in ein Mädchen aus Pankow. So entstand das Liebeslied: „Wir wollen doch einfach nur zusammen sein“, das er 1973 veröffentlichte.

1976 textete Lindenberg in dem Song „Rock´n Roll  Arena Jena“: „Ich würd so gerne bei Euch mal singen, meine Freude in der DDR, ´ne Panik-Tournee, die würd´s echt bringen.“

Drei Jahre später äußerte Udo Lindenberg in einem Interview öffentlich den Wunsch, in der DDR auftreten zu dürfen. Diese Bemühungen waren vergeblich, denn die Leitung der Regierungspartei lehnte ihn als „dekadent“ ab, auch wenn zunehmend kommerziell erfolgreiche Musiker, vor allem Schlagersänger, aus dem Westen in der DDR auftraten. Lindenberg wurde von Stasi-Offizieren als mittelmäßiger Schlagersänger und Vertreter anarchistischer Grundpositionen beschrieben. Sie äußerten sich herabsetzend über seine Kleidung und seine Gestik.

Anfang der Achtziger Jahre zog eine neue Eiszeit in die Beziehung zwischen West- und Ostdeutschland ein. Als Antwort auf die Positionierung von sowjetischen SS-20-Raketen wurde die Stationierung von amerikanischen Pershing-Raketen durch den Nato-Doppelbeschluss gewährt. In Westdeutschland regte sich die Friedensbewegung und Udo Lindenberg war dabei. Er schrieb den Song: „Wozu sind denn Kriege da?“ Durch sein Engagement in der Friedensbewegung wurde Lindenberg für die DDR-Führung interessant, weil diese plante, die Friedensbewegung zu unterwandern. Doch weiterhin konnte Lindenberg nicht in der DDR auftreten.

Lindenbergs Hit „Sonderzug nach Pankow“ von 1983 war in der DDR extrem erfolgreich. Zum Ärgernis der SED-Führung, denn Udo lud sich in dem Song nach Ostberlin zu einem Treffen mit dem Vorsitzenden des Staatsrats der DDR Erich Honecker ein:

Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow?
Ich muss mal eben dahin – mal eben nach Ost-Berlin!

Ich muss da was klär´n mit eurem Oberindianer:

Ich bin ein Jodeltalent und will da spiel´n mit ’ner Band.

Ich hab ’n Fläschchen Cognac mit und das schmeckt sehr lecker!
Das schlürf ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker –
Und ich sag: „Ey Honey, ich sing für wenig Money –
Im Republik-Palast –  wenn ihr mich lasst!

Hier gibt es ein zeitgenössisches Video →

Der Text wurde von der DDR-Führung als Herabsetzung Erich Honeckers verstanden. Das Lied durfte in der DDR nicht gespielt werden. Wer den „Sonderzug“ auf öffentlichen Veranstaltungen zu Gehör brachte, musste mit Gefängnisstrafe rechnen. Lindenberg entschuldigte sich in einem Brief an Honecker, er  habe das „Liedchen“ nicht diskreditierend gemeint.  Die Entschuldigung und das subversive Interesse der DDR an der Friedensbewegung führte endlich zu einem Auftritt im Osten.

Am 25. Oktober 1983 durfte Lindenberg im Palast der Republik in Ostberlin im Rahmen der „FDJ-Manifestation für den Frieden der Welt – Weg mit dem Nato-Raketenbeschluss“ singen. Udos Manager hatten hart verhandelt. Die FDJ-Veranstalter wollten Harry Belafonte – Sänger, Schauspieler, Kriegsgegner aus den USA – auf ihrem Fest haben. Belafonte trat aber nur auf, wenn Lindenberg auftreten konnte. Zudem gab die DDR-Regierung Udo Lindenberg das Versprechen einer Tournee im Jahr darauf.

Zum Konzert in den Palast der Republik wurden nur  ausgewählte FDJ-Mitglieder zugelassen. Udos Fans wurden durch Absperrungen ferngehalten. Mehr als 1600 Stasi- und Volkspolizeimitarbeiter schirmten seinen Aufenthalt ab. Die Zuschauer im Palast der Republik zeigten während Udo Lindenbergs Auftritt eine trockene Mine. Sie waren angewiesen worden, nur gemäßigte Begeisterung zu äußern. Die Stasi-Spione meldeten allerdings später, es hätte nicht wenig gefehlt und auch hier wäre Begeisterung ausgebrochen. Udo sang nicht den „Sonderzug nach Pankow“, sondern brachte seine feste pazifistische und menschenliebende Haltung zum Ausdruck. Dies brachte ihm auch Kritik ein, denn das Konzert wurde von Ausschreitungen der Volkspolizei gegen Fans begleitet, die nicht in den Palast der Republik eingelassen wurden.

Ein Video gibt es hier →

Udos Fans wurden zurückgedrängt und misshandelt. Über 40 von ihnen wurden verhaftet. Lindenberg fühlte sich missbraucht und vorgeführt. Auf der Bühne hielt er eine Ansprache, in der er den Abzug der Pershing-Raketen und auch der sowjetischen SS 20 forderte.  Die Staatsführung der DDR sagte daraufhin die Tournee, die für 1984 vereinbart war, kurzfristig ab.

Udo Lindenberg auf der „Götterhämmerung“-Tournee im Westen.

Auf der LP „Götterhämmerung“ hatte Lindenberg schon einen Song über den freudig erwarteten DDR- Besuch veröffentlicht:

„Oh yeah – wir rocken und rollen durch die DDR!
Oh yeah – und diesmal nicht nur im Transitverkehr:
Hallo Dresden – Hallo Jena wir rocken und rollen durch die DDR!
Hallo Rostock – Hallo Leipzig und es tanzt der Panik-Bär!“

Im Januar 1984 besucht Udo die Frauenband Mona Lise in Berlin-Pankow, möchte sie als Vorband für seine Tournee in der BRD engagieren, aber auch das wurde verboten.

1985 konnte Lindenberg schon in Moskau und Leningrad auftreten und sang dort für die Abrüstung.
Doch Lindenberg gab die Idee des Besuchs bei seinen DDR-Fans nicht auf. Er dichtete 1987 das Lied „Der Generalsekretär“, wieder mit dem Wunsch, in der DDR freundschaftlich aufzutreten, und singt über seine Hoffnung auf Grenzfreiheit und Mauerfall. Er erwähnt darin das Instrument Schalmei, das die FDJ oft nutzte. Pfingsten desselben Jahres bat er den Staatsratsvorsitzenden Honecker direkt um eine Auftrittsgenehmigung und schickte ihm eine Lederjacke. Der Auftrittswunsch wurde nicht gewährt, aber Honecker schickte ihm eine Schalmei. Die Lederjacke wurde in der FDJ versteigert und ist heute im Kulturhistorischen Museum in Rostock zu sehen. Im September reiste Honecker zu seinem ersten  und einzigen Staatsbesuch in die BRD und Udo Lindenberg ergriff die Gelegenheit, ihn zu treffen. Er fuhr unangekündigt nach Wuppertal, überraschte Honecker und schenkte ihm eine Gitarre mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“. Wieder ohne den erhofften Erfolg.

Der DDR-Zwangsstaat stand schon vor seinem Ende, aber auftreten konnte Udo erst nach dem Fall der Mauer, im Januar 1990. Passend dazu erschien sein Album „Bunte Republik Deutschland“.

Alle Aktivitäten von Udo Lindenberg wurden eng von der Staatssicherheit verfolgt. Wann auch immer er in Ostberlin war, wurden Informelle Mitarbeiter auf ihn angesetzt, die ihn aushorchten und alle, die mit ihm zu tun hatten, meldeten. 1990 konnte Udo Lindenberg seine Stasi-Akte einsehen: „… ich musste wegen all der Tragik dieses Spitzeltums erst mal einen Schock überwinden und kräftig durchatmen, weinenden Auges – später dann auch lachenden Auges, so grotesk, so abartig, so komisch war es gleichzeitig.“[1] Er erfuhr, dass auch seine Liebe zu dem Mädchen aus Ost-Berlin von der Stasi kontrolliert wurde. Trotzdem engagierte sich Udo Lindenberg weiter kulturell und sozial in den neuen deutschen Ländern.

In den neunziger Jahren begann er zu malen und stellte seine Werke unter anderem auch in Leipzig aus. Er gründete 2006  die Udo-Lindenberg-Stiftung, die Bildungs- und Wasserprojekte Projekte in Afrika unterstützt, junge Musiker*innen und Texter*innen fördert und deutsch-deutsches Geschichtsbewusstsein vermittelt.

Um an das Konzert von 1983 zu erinnern, veröffentlichte die Stasi-Unterlagen-Behörde 2013 eine Dokumentation dazu, die wiederum Grundlage des Dokumentarfilms „Die Akte Lindenberg“ wurde. Hier geht es zum Film →

Neben anderen Auszeichnungen wurde Lindenberg für sein Gesamtwerk zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt ernannt.

2022 wurde Udo Lindenberg Ehrenbürger von Hamburg.

Literaturhinweise:

[1] Zitat aus: Lindenberg, Udo u.a.: Zwischentöne. Ausstellungskatalog, Leipzig 2019, S. 69

Bildnachweise:

Abb. Zeitzeuge: Michael Lucan, CC BY-SA 3.0 DE <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en>, via Wikimedia Commons

Abb. Text: Jagger~deJagger~dewikiwiki auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:1984_03_14_77_331_udo_lindenberg_kaunitz_ostwestfalenhalle_goetterhaemmerung_tour_84.jpg#filelinks