Text von Rita Bake. Dies ist eine gekürzte Version des Artikels aus der Hamburger Frauenbiografien-Datenbank, hier →
Eine schwere Jugend
Helene Lange wurde am 9.4.1848 in Oldenburg geboren. Als Helene sieben Jahre alt war, starb ihre Mutter, neun Jahre später auch der Vater, ein Kaufmann. Helene Lange erhielt einen Vormund, der ihren Wunsch, Lehrerin zu werden, untersagte. Deshalb arbeitete sie bis zur Volljährigkeit als Au Pair-Mädchen in einer Elsässer Erziehungsanstalt. Alleine lernend bereitete sie sich auf das Lehrerinnenexamen vor, das sie 1871 in Berlin bestand.
Zwischen 1875 und 1890 war sie Leiterin des Lehrerinnen-Seminars in Berlin, von 1890 bis 1900 Leiterin der Realschulkurse und ab 1893 auch von Gymnasialkursen für Frauen.
Kampf für die Bildung
Helene Lange setzte sich für die Verbesserung der Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten von Frauen ein. 1890 gründete sie mit Auguste Schmidt den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV), dessen Vorsitzende sie bis 1921 war. Ungefähr in den 1880er Jahren fand Helene Lange ihre politische Heimat im Liberalismus. Gemeinsam mit anderen Frauen richtete sie 1887 eine Petition an das preußische Kultusministerium und das Abgeordnetenhaus, „in der verschiedene Forderungen zur Verbesserung des Mädchenschulwesens gestellt werden. Die von der 39-jährigen Lange verfasste Begleitschrift, die sogenannte ‚Gelbe Broschüre‘, erscheint 1887, erregt großes öffentliches Aufsehen und verschafft ihr auch außerhalb der pädagogisch interessierten Öffentlichkeit mit einem Schlag einen unerwartet hohen Bekanntheitsgrad. Für sie selbst markiert dieses Jahr den Beginn ihrer eigentlichen „Kampfzeit“.
1893 gründete Helene Lange die Zeitschrift „Die Frau, Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit“, die sie ab 1916/17 gemeinsam mit Gertrud Bäumer (1873–1954) herausgab und die bis 1944 erschien.
1894 wurde sie Mitbegründerin des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF), in dessen Vorstand sie bis 1906 tätig war.
Frauen helfen Frauen
1898 lernte Helene Lange Gertrud Bäumer kennen. Damals war bei Helene Lange ein altes Augenleiden wieder ausgebrochen, sodass sie Hilfe benötigte, die sie in der damals 25-jährigen Gertrud Bäumer fand. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich eine enge Arbeits- und Lebensgemeinschaft zwischen den beiden Frauen, die bis zum Tod Langes 1930 Bestand hat. Bereits von 1901 an teilen sie sich eine gemeinsame Wohnung. 1902 wurde Helene Lange Leiterin des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, dem sie bis 1921 vorstand. Eine Zusammenarbeit mit der proletarischen Frauenbewegung lehnte sie ab, auch kritisierte sie den radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung. Helene Lange sah in der Mütterlichkeit „die Wesensbestimmung der Frau, auch der kinderlosen. Als Ziel schwebt ihr vor, die männlich geprägte Welt mit all ihren Fehlentwicklungen durch den weiblichen Kultureinfluß zu verbessern. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges bezog sie militaristische Positionen, sie war für die Beteiligung am ‚Nationalen Frauendienst‘, dessen Gründerin Gertrud Bäumer war.
Helene Lange in Hamburg
Helene Lange hat entscheidend dazu beigetragen, Frauen bürgerlicher Schichten Studium und Berufschancen in Deutschland zu ermöglichen.
1916 zogen Helene Lange und Gertrud Bäumer nach Hamburg, wo Gertrud Bäumer die Leitung der neugegründeten Sozialen Frauenschule und Helene Lange dort als Lehrerin den Psychologieunterricht übernahmen. In Hamburg lernte Helene Lange Emmy Beckmann kennen, die sie zu ihrer Nachfolgerin im Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenveren machte. Ihre Beziehung war ähnlich eng wie die zu Gertrud Bäumer.
Die erste Frau der ersten freigewählten Bürgerschaft
Helene Lange betätigte sich auch parteipolitisch. Von März 1919 bis Dezember 1920 war sie für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und hielt dort am 24. März 1919 als Alterspräsidentin die Eröffnungsrede. 1920 legte sie ihr Mandat nieder, weil sie Gertrud Bäumer nach Berlin folgte.
Dort publizierte sie weiterhin Artikel in Zeitschriften und Zeitungen. 1922 wurde sie Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt Oldenburg; etliche Mädchenschulen wurden nach ihr benannt, und 1928 verlieh ihr die Preußische Regierung die große Staatsmedaille.
In ihren letzten Lebensjahren klagte Helene Lange in ihren Briefen an Emmy Beckmann oftmals über ihre Einsamkeit und suchte die Nähe ihrer Freundinnen. Sie starb am 3.5.1930 in Berlin.
Grundlegende Literatur:
Herve, Florence und Nödinger, Ingeborg: Lexikon der Rebellinnen. Dortmund 1996, S. 151.
Lange, Helene: Die Anfänge der Frauenbewegung, Berlin 1927 ( Quellenhefte zum Frauenleben in der Geschichte; Bd. 17).
Göttert, Margit: Macht und Eros. Frauenbeziehungen und weibliche Kultur um 1900 – eine neue Perspektive auf Helene Lange und Gertrud Bäumer. Königstein/Ts., 2000, S. 24.
Schaser, Angelika: Lange, Helene Henriette Elisabeth, in: Hamburgische Biografie. Personenlexikon (Bd. 5), hg. v. Franklin Kopitzsch und Dirk Brietzke, Hamburg 2010, S. 226f.
Schaser, Angelika: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft, Köln ²2010 (L‘ homme Schriften; Bd. 6).
Schroeder, Hiltrud: Helene Lange, in: Luise Pusch, Susanne Gretter (Hrsg.): Berühmte Frauen. Dreihundert Porträts. Frankfurt a. M. 1999, S. 167.
Bildnachweise:
Abb. Titelfeld: Helene Lange vor 1899 (Ausschnitt), nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Helene_Lange_vor_1899.jpg?uselang=de).
Abb. Zeitgenossentext: Titelblatt „Die Lehrerin…“ 1899/1900, nach Wikimedia Commons (https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Die_Lehrerin_in_Schule_und_Haus_Ausgabe_1899-1900.JPG) / Titelblatt „Die Frau“ Januar 1906, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Die_Frau_1906_Cover.jpg?uselang=de) / BDF-Konferenz 1907, nach Wikimedia Commons (https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bund_Deutscher_Frauenvereine_1907.jpg) / Getrud Bäumer um 1928, nach Datenbank Hamburger Frauenbiografien (http://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/onepage.php?BIOID=3451) / Helene-Lange-Gymnasium, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Entrance_to_the_Helene-Lange-Gymnasium_(Hamburg).jpg).