Christoph Strupp (Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg)
Die 1990er Jahre und frühen 2000er Jahre sind die Vorgeschichte der Gegenwart. Manche damals begonnene Entwicklungen wie z.B. der Bau der HafenCity sind noch immer nicht abgeschlossen.
Die handelnden Personen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind teilweise heute noch aktiv. Viele der damaligen Probleme Hamburgs spielen in aktuellen Diskussionen immer noch eine Rolle: der Wandel der politischen Landschaft durch den Niedergang der Volksparteien und die Entstehung von Protestparteien, die soziale Spaltung zwischen wohlhabenden Stadtteilen am westlichen und nördlichen Stadtrand und sozialen Brennpunkten im Süden und Osten, der Umgang mit Zuwanderung aus unterschiedlichen Kulturkreisen, Sorgen um den Wohnungsmarkt und den innerstädtischen Verkehr oder das Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftsinteressen und Umweltschutz.
Die Entwicklung Hamburgs spielte sich vor dem Hintergrund übergeordneter politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse ab, die ebenfalls bis heute nachwirken und Hamburg prägen. So vertiefte sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa 1989/90, der wirtschaftlichen Öffnung Chinas und dem Aufstieg der Informationstechnologien und des Internets die Globalisierung: Waren und Dienstleistungen wurden weltweit in immer größerem Umfang und immer schneller gehandelt. Dadurch ergaben sich für eine Hafen- und Handelsstadt wie Hamburg – gelegen in der „Zentralität Europas“, wie Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) im Dezember 1989 formulierte – neue wirtschaftliche Möglichkeiten. Hamburg sah sich als Tor Asiens nach Skandinavien sowie Mittel- und Osteuropa.
Der Güterumschlag im Hafen stieg von 56,8 Millionen Tonnen 1990 auf 118,9 Millionen Tonnen im Jahr 2008. Allerdings erforderte dies auch hohe Investitionen in den Standort und die Verkehrsverbindungen ins Hinterland, um in einem zunehmend schärferen wirtschaftlichen Wettbewerb bestehen zu können.
Auf europäischer Ebene leiteten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union mit den Verträgen von Maastricht (1993), Amsterdam (1999) und Nizza (2003) sowie mit der Einführung des Euro (2002) als gemeinsamer Währung eine deutliche Vertiefung der europäischen Integration ein. Auch daraus ergaben sich Chancen für den Wirtschaftsstandort Hamburg, aber neue EU-Regelungen engten auch den politischen Spielraum der Stadt ein und bestimmten über den Bereich der Wirtschaft hinaus auf immer mehr Ebenen das Leben der Menschen. Eine unmittelbare Folge des liberalisierten europäischen Arbeitsmarktes war z.B. Anfang 1996 der „Schlepperkrieg“ im Hamburger Hafen, als Rotterdamer Hafenschlepper ihre Dienste preiswerter als die hiesigen Firmen anboten.
Auf nationaler Ebene hatte Hamburg durch die Erweiterung der Bundesrepublik auf 16 Bundesländer zwar an politischem Gewicht verloren, aber die Nähe zur neuen Hauptstadt Berlin steigerte Hamburgs Attraktivität für Unternehmen und Besucherinnen und Besucher. Die erhoffte schnelle Verkehrsanbindung durch die Magnetschwebebahn Transrapid, die seit 1992 geplant worden war, scheiterte allerdings im Jahr 2000. Stattdessen wurde die ICE-Strecke nach Berlin ausgebaut.
Die Stadt profitierte insgesamt von der Erneuerung der Infrastruktur in Ostdeutschland und vom wirtschaftlichen Aufstieg Mittel- und Osteuropas – Polen und Russland wurden in den 2000er Jahren zu wichtigen Handelspartnern in Europa. Zwar schien sich das in den 1980er Jahren beklagte wirtschaftliche „Süd-Nord-Gefälle“ in der Bundesrepublik zugunsten des Nordens zu verändern. Allerdings war und blieb Hamburg in den 1990er Jahren hoch verschuldet. Die Stadt verfügte über zu wenig Mittel, um etwa in sozialpolitische Initiativen, den öffentlichen Raum oder den Nahverkehr zu investieren. 1994 waren nur noch 60 Prozent der städtischen Ausgaben durch Steuermittel gedeckt. Die Quote der Arbeitslosen bei den abhängig Beschäftigten stieg von 8,7 Prozent 1991 auf 13,0 Prozent 1997 an und sank erst in den Jahren 2000-2004 wieder jeweils unter 10 Prozent. Sie lag durchgängig über dem westdeutschen und ab 1995 auch über dem gesamtdeutschen Durchschnitt.
In regionaler Perspektive hatte Hamburg als Stadtstaat seit den 1960er Jahren unter der Suburbanisierung – dem Wegzug insbesondere der Mittelschichten über die Stadtgrenzen ins Umland nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein – gelitten. Damit war der Verlust von Steuereinnahmen verbunden, aber auch die Gefahr einer zunehmenden Polarisierung zwischen den in der Stadt zurückbleibenden „Armen“ – in sozialstrukturell schwachen Problemvierteln – und „Reichen“ in teuren Neubau- oder sanierten Altbauvierteln.
Von Zeit zu Zeit diskutierte Vorschläge, einen gemeinsamen „Nordstaat“ zu gründen, waren auch in den 1990er Jahren politisch nicht mehrheitsfähig. Immerhin verbesserte sich die regionale Zusammenarbeit ab 1991 durch die Schaffung einer „Metropolregion“ aus Hamburg sowie den umliegenden Landkreisen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins.
Der Radius der Metropolregion wurde seither mehrfach erweitert und umfasst inzwischen auch die kreisfreien Städte Lübeck, Neumünster und Schwerin sowie zwei Landkreise Mecklenburg-Vorpommerns.
Staatliches Handeln war in den 1990er und 2000er Jahren auf allen Ebenen beeinflusst von einer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ideologie, die mit dem Schlagwort des „Neoliberalismus“ charakterisiert wird. Sie stand für einen Rückzug des Staates aus Teilbereichen seiner politischen Verantwortung u.a. in der Infrastruktur- und Sozialpolitik, für eine „schlanke“ und an wirtschaftlichen Prinzipien orientierte Verwaltung, für geringere Staatsausgaben, für eine Liberalisierung der Finanzmärkte und ein weitgehendes Vertrauen auf die Kräfte des „Marktes“. Auf städtischer Ebene wurde dies z.B. dadurch sichtbar, dass der soziale Wohnungsbau zurückging und der Einfluss von privaten Investoren bei der Entwicklung ganzer Quartiere gestärkt wurde. Im öffentlichen Dienst wurden Stellen gestrichen, darunter auch bei der Polizei oder im Bildungs- und Gesundheitswesen. Fördermittel für Kultur, Breitensport und Stadtteilinitiativen wurden gekürzt. Begleitet wurde dies durch eine vermehrte „Eventisierung“ und Inszenierung der Stadt im „Standortwettbewerb“ um global agierende Firmen etwa aus der Finanz- und IT-Branche, um deren Facharbeitskräfte und zahlungskräftige Touristinnen und Touristen.
Bereits unter den sozialdemokratischen Ersten Bürgermeistern Klaus von Dohnanyi (1981-1988), der 1983 das Schlagwort von der Stadt als „Unternehmen Hamburg“ prägte, und seinen Nachfolgern Henning Voscherau (1988-1997) und Ortwin Runde (1997-2001) ließen sich neoliberale Elemente in der Stadtpolitik identifizieren. Dazu gehörten die Aktivitäten der 1989 als städtisches Unternehmen gegründeten „STEG Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH“ bei der Sanierung von Altbauquartieren ebenso wie die 1998 betriebenen Pläne zur wirtschaftlichen „Verselbständigung“ der städtischen Museen als Stiftungen. Nach der Wahlniederlage der rot-grünen Koalition Rundes 2001 regierte die Stadt für fast ein Jahrzehnt Ole von Beust (CDU), von 2004 bis 2008 sogar mit absoluter Mehrheit. In dieser Phase wurde die neoliberale Ideologie im Rahmen des politischen Leitbildes „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ besonders offensiv vertreten.
In den 1990er Jahren konnten die Sozialdemokraten ihre dominierende Stellung im politischen Leben Hamburgs behaupten. Seit 1957 stellten sie ununterbrochen den Ersten Bürgermeister. Ihre führende Rolle ging erst mit der Bürgerschaftswahl im September 2001 verloren.
Bei der Bürgerschaftswahl am 2. Juni 1991 erreichte die SPD mit 48,0 Prozent der Stimmen sogar knapp die absolute Mehrheit der Sitze in der Bürgerschaft. Die Partei mit ihrem seit 1988 regierenden populären Ersten Bürgermeister Henning Voscherau als Spitzenkandidat hatte in allen sieben Bezirken gesiegt, obwohl sie in absoluten Zahlen gegenüber 1987 50.000 Stimmen verloren hatte. Bei den darauf folgenden vorgezogenen Wahlen am 19. September 1993 musste die SPD mit 40,4 Prozent der Stimmen Verluste hinnehmen und vier Jahre später, am 21. September 1997 sank ihr Stimmenanteil auf 36,2 Prozent, ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis seit 1946. Die CDU konnte von der schwindenden Akzeptanz der Sozialdemokraten nicht profitieren: Mit den Spitzenkandidaten Hartmut Perschau bzw. Dirk Fischer sank ihr Stimmanteil zunächst von 35,1 Prozent (1991) auf 25,1 Prozent (1993). Mit Ole von Beust erreichte sie 1997 wieder 30,7 Prozent, blieb damit aber unter den Resultaten der Bürgerschaftswahlen der 1970er und 1980er Jahre. Die politisch zunehmend pragmatischer ausgerichtete Grün-Alternative Liste (GAL) steigerte sich von 7,2 Prozent (1991) auf Rekordergebnisse von 13,5 Prozent (1993) und 13,9 Prozent (1997).
Nicht durchgängig in der Bürgerschaft vertreten war die liberale FDP. Bei den Wahlen 1991 hatte sie mit 5,4 Prozent knapp die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen, aber 1993 (4,2 Prozent) und 1997 (3,8 Prozent) scheiterte sie jeweils daran. Neu in der Bürgerschaft vertreten war von 1993 bis 1997 mit 5,6 Prozent die STATT-Partei. Dabei handelte es sich um eine bürgerliche Protestpartei, die das CDU-Mitglied Markus Wegner gegründet hatte, nachdem das Hamburgische Verfassungsgericht im Mai 1993 seiner Beschwerde über undemokratische Regeln der Kandidatenaufstellung in der CDU Recht gegeben und die Wahl von 1991 deshalb für ungültig erklärt hatte.
Der Erfolg Wegners war ebenso ein Warnsignal für politische Unzufriedenheit bei einem Teil der Wählerinnen und Wähler wie die Zugewinne der rechtsextremen Parteien DVU (1991: -; 1993: 2,8 Prozent; 1997: 4,98 Prozent) und Republikaner (1991: 1,2 Prozent; 1993: 4,8 Prozent; 1997: 1,8 Prozent). Obwohl die rechtsextremen Kandidaten in der Stadt kaum bekannt waren, erhielten sie in sozialen Brennpunkten wie Wilhelmsburg 1993 zusammen fast 17 Prozent der Stimmen. Bei den parallel stattfindenden Bezirkswahlen errangen sie Sitze in den Bezirksversammlungen in Mitte, Harburg und Bergedorf. Zeitungsreportagen machten deutlich, dass man etwa von der DVU keineswegs politische Lösungen erwartete, sondern es um den Protest gegen die – tatsächliche oder so empfundene – Vernachlässigung des eigenen Viertels ging. Die Berichterstattung in den Medien trug einerseits zur Stigmatisierung von „Problemvierteln“ und deren Bewohnerinnen und Bewohnern bei, lenkte aber andererseits den Blick der Öffentlichkeit auch auf konkrete Versäumnisse der städtischen Politik bei Themen wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Kriminalität und innerer Sicherheit.
Nach dem Wahlsieg der SPD 1991 wurde die Stadt für zweieinhalb Jahre von einem SPD-Senat unter Bürgermeister Voscherau regiert. 1993 nahm Voscherau nach dem Verlust der absoluten Mehrheit auf Druck seiner Partei zunächst Koalitionsverhandlungen mit der GAL auf. Als diese scheiterten, schloss er im Dezember 1993 eine Kooperation mit der STATT-Partei, die dafür zwei parteilose Senatoren benennen durfte. Diese Konstellation hielt trotz politischer Konflikte zwischen dem rechten und linken Flügel der SPD und Spannungen innerhalb der STATT-Partei über die ganze Legislaturperiode. Im September 1997 trat Voscherau nach den erneuten Verlusten noch am Wahlabend zurück und machte den Weg frei für die erste rot-grüne Koalition aus SPD und GAL in Hamburg auf Landesebene, nachdem SPD und GAL bereits seit 1994 im Bezirk Altona gemeinsam regiert hatten. Neuer Erster Bürgermeister wurde im November 1997 für eine Legislaturperiode der bisherige Finanzsenator Ortwin Runde vom linken Flügel der SPD. Die GAL erhielt die Ressorts für Wissenschaft – geleitet von der neuen Zweiten Bürgermeisterin Krista Sager –, sowie für Umwelt und Stadtentwicklung.
Inhaltlich stand in den 1990er Jahren ein breites Spektrum an Themen auf der Tagesordnung städtischer Politik: Es ging um die Weiterentwicklung der Wirtschaftsstruktur, die Zukunft des Hafens, der Industrie – nach dem Niedergang des Schiffbaus und den Krisen der Ölindustrie in den 1970er und 1980er Jahren – und der Medien- und Kreativwirtschaft. Damit verknüpft waren generelle Fragen der Stadtentwicklung. Dies betraf den Wohnungsbau ebenso wie Gewerbeansiedlungen, die Verkehrsplanung und den Schutz der Umwelt. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und der Umgang mit sozialen Brennpunkten beschäftigte Politik und Öffentlichkeit ebenso wie die Schul-, Wissenschafts- und Kulturpolitik. Die zeitgenössischen Debatten und Entscheidungen von Senat und Bürgerschaft im Rathaus spiegeln dabei nur einen Teil des politischen Lebens in der Stadt wider, denn eine Vielzahl von Stadtteil- und Bürgerinitiativen vor Ort, die Gewerkschaften und die Interessenvertretungen der Wirtschaft spielten dafür ebenso eine wichtige Rolle. Von Bedeutung war zudem die Berichterstattung der Medien über kontroverse politische und gesellschaftliche Themen.
Zu Beginn des Jahrzehnts erschütterte ein von SPD, CDU und FDP unterstütztes umstrittenes Gesetz über höhere Diäten und Altersbezüge für die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft das Vertrauen in die Politik, so dass der Senat das Gesetz schließlich zurückzog. Die oppositionelle GAL hatte im November 1991 bei der Verabschiedung als Protest falsche Tausendmarkscheine in den Plenarsaal geworfen. Im Sommer 1992 kippte die Bürgerschaft dann mit den Stimmen von SPD und FDP auch ein ebenfalls heftig kritisiertes Gesetz von 1987, das die Altersversorgung für Senatsmitglieder deutlich verbessert hatte.
Ende 1995 wurde der Dauerkonflikt „Hafenstraße“ langfristig befriedet, indem die besetzten Häuser in St. Pauli an die Genossenschaft „Alternativen am Elbufer“ verkauft wurden. Voscherau hatte den von seinem Vorgänger Klaus von Dohnanyi verhandelten Kompromiss mit den Bewohnern Anfang der 1990er Jahre aufgekündigt und damit gedroht, die Häuser polizeilich räumen zu lassen. Dem standen allerdings rechtliche Hürden entgegen. Nicht zuletzt unter dem Einfluss der STATT-Partei gelang dann eine konsensfähige Lösung.
Ebenfalls in die Amtszeit der Kooperation von SPD und STATT-Partei fiel 1996 eine Reform des politischen Systems der Hansestadt, die die Stellung des Ersten Bürgermeisters im Senat stärkte. Er war nun nicht mehr „Erster unter Gleichen“, sondern bestimmte die Richtlinien der Politik für alle Senatsmitglieder. Die Bürgerschaft wurde von einem „Feierabend“- zu einem halbprofessionellen Parlament weiterentwickelt. Zudem ermöglichte die Reform Volksbegehren und Volksentscheide. Gestärkt wurden in einigen Bereichen auch die Handlungsmöglichkeiten der Bezirke. Dies sollte sowohl einer effizienteren Verwaltung als auch einer bürgernäheren Politik dienen. Während die Oppositionsparteien CDU und GAL sogar eine noch stärkere Dezentralisierung verlangt hatten, beklagte Voscherau, dass die „Einheitsgemeinde Hamburg“ schon durch die jetzige Reform schwerer regierbar werde.
Die Finanzlage der Stadt blieb angespannt. Haushaltslöcher wurden durch die Auflösung von Rücklagen und den Verkauf von städtischem „Tafelsilber“ an private Investoren gestopft, darunter 1997 von 25 Prozent der Anteile an den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW). Weitere HEW-Aktien wurden 1999 verkauft. Im Alltag machte sich die Haushaltslage durch stillgelegte Springbrunnen oder Pläne für die Schließung von Bücherhallen bemerkbar. Auch im Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturbereich wurden Mittel gekürzt.
Im Februar 1997 ließ die Sozialbehörde das traditionsreiche Hafenkrankenhaus in St. Pauli schließen, das in dem Stadtteil eine wichtige Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung gewesen war.
Zu den gesellschaftspolitischen Reformprojekten der ersten rot-grünen Koalition gehörte die 1998 beschlossene „Hamburger Ehe“ für homosexuelle Menschen, ein Vorläufer der später bundesweit möglichen eingetragenen Lebenspartnerschaft. Trotz des Eintritts der GAL in den Senat setzte die SPD wirtschaftsfreundliche Großprojekte wie die Elbvertiefung, die Hafenerweiterung und den Ausbau des Flughafens durch und rang ihrem Koalitionspartner später auch die Zustimmung zur Zuschüttung des Mühlenberger Lochs am Südufer der Elbe ab, um das Airbus-Werk in Finkenwerder für den Bau des Großflugzeugs A380 zu erweitern.
Dieser massive Eingriff in das ökologisch wertvolle größte Süßwasserwattgebiet Europas aus wirtschaftlichen Erwägungen war besonders umstritten.
Ende der 1990er Jahre sah sich die langjährige Regierungspartei SPD von Opposition und Teilen der Medien immer stärker dem Vorwurf des „Filzes“ ausgesetzt. So musste im März 1998 Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel zurücktreten, nachdem sie eine Stiftung begünstigt hatte, in der ihr Ehemann im Vorstand saß. Die Opposition beantragte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der seine Arbeit im Herbst 2000 aber ohne konkretes Ergebnis abschloss. Enge personelle Verflechtungen zwischen Senatsbehörden und SPD-Bürgerschaftsfraktion, Bezirksleitungen, städtischen Unternehmen und stadtnahen Einrichtungen ließen sich allerdings nicht leugnen.
Zu einem wichtigen Thema der politischen und gesellschaftlichen Debatte wurde in den 1990er Jahren die Frage der Sicherheit in der Stadt. Die Kriminalitätsrate stieg z.B. 1992 im Vergleich zum Vorjahr um 11,5 Prozent an. Dabei ging es um Einbrüche und Straßenraub – teilweise in Form von Beschaffungskriminalität für den Drogenkonsum – aber auch um Gewaltkriminalität. Immer häufiger waren dabei Jugendliche betroffen, sowohl als Opfer – etwa beim „Abziehen“ von Markenkleidung – als auch als Täter. Wurden 1990 noch rund 15.200 Straftaten Jugendlicher registriert, waren es 1998 bereits 24.200. Spektakuläre Fälle wie der Mord an dem 73-jährigen Lebensmittelhändler Willi Dabelstein im Juni 1998, den zwei 16 und 17 Jahre alte Intensivtäter für eine geringe Beute in seinem Laden erschlugen, erschütterten die Öffentlichkeit. In Politik und Medien wurde über die richtige Reaktion gestritten. Dabei standen sich eher erzieherische und eher strafende Ansätze selbst innerhalb der Ressorts des Senats gegenüber. Bestimmte Stadtteile waren stärker von Gewalt und Kriminalität betroffen als andere, darunter St. Pauli, St. Georg, Wilhelmsburg und Billstedt.
Die intensive Berichterstattung darüber trug dazu bei, dass sich auch in Stadtteilen mit niedrigen Kriminalitätsraten ein Gefühl der Unsicherheit verbreitete. Die BILD-Zeitung und andere konservative Medien setzten Politik und Justiz unter Druck, indem sie die zunehmend brutaler agierende organisierte Kriminalität auf St. Pauli, die Jugendkriminalität und die offene Drogenszene in St. Georg im Umfeld des Hauptbahnhofs skandalisierten und als Versagen des Staates deuteten. Allerdings war der Nachschub an Drogen über den Hamburger Hafen nicht zu stoppen und mehr Polizei bewirkte höchstens eine Verlagerung der Szene.
Voscherau thematisierte das Drogenproblem seit 1989 immer wieder öffentlich und plädierte dafür, Drogensüchtige nicht länger zu kriminalisieren, sondern das Problem zu „medizinalisieren“. Im Februar 1994 schuf die Stadt mit dem „Drug-Mobil“ in Billstedt eine neue Möglichkeit für Drogensüchtige, Spritzen zu tauschen, sich gesundheitlich beraten zu lassen und – und dies war neu und juristisch umstritten – in einer geschützten hygienischen Umgebung illegale Drogen vor Ort zu konsumieren. Mit dem „Abrigado“ in Harburg und dem „FixStern“ im Schanzenviertel entstanden 1994/95 zwei weitere Einrichtungen dieser Art. Das Angebot an Entgiftungs- und Therapieplätzen reichte in Hamburg ebenso wie in anderen Großstädten nicht aus und wurde trotzdem nicht erweitert. Drug-Mobil und FixStern wurden 2003 wieder geschlossen. Die Zahl der Drogenopfer in Hamburg erreichte 1991 mit 184 Toten einen Höhepunkt und verblieb das ganze Jahrzehnt hindurch auf hohem Niveau. Erst ab 2002 sank sie wieder unter 100 Tote pro Jahr.
Kriminalität und Drogen spielten in allen Wahlkämpfen der 1990er Jahre eine Rolle. 1993 und 1997 war es nach Meinungsumfragen jeweils das zweitwichtigste Thema für die Hamburgerinnen und Hamburger – nach dem Wohnungsmarkt (1993) bzw. der Arbeitslosigkeit (1997) – aber die Werte hatten sich dabei von 27 Prozent auf 52 Prozent fast verdoppelt. Dies trug zum Niedergang der SPD bei, die schließlich in dieser Zeit die für Sicherheit zuständigen Innensenatoren stellte. Werner Hackmann (1988-1994) trat im Herbst 1994 zurück, nachdem er Vorwürfe rassistischer Übergriffe der Hamburger Polizei nicht hatte aufklären können. Sein Nachfolger Hartmuth Wrocklage (1994-2001), der die Kriminalstatistik und die Sparmaßnahmen bei der Polizei regelmäßig schöngeredet hatte, trat im Mai 2001 nach öffentlicher Kritik an seiner Amtsführung zurück.
Auch der Wahlkampf vor der Bürgerschaftswahl am 23. September 2001 war inhaltlich geprägt von Debatten über die Sicherheit in der Stadt und stand personell im Zeichen eines politischen Seiteneinsteigers: des ehemaligen Amtsrichters Ronald B. Schill, dem die Presse aufgrund seiner teilweise überharten Urteile in Bagatellsachen 1996 das Attribut „Richter Gnadenlos“ verliehen hatte. Schill war von 1993 bis 1999 als Amtsrichter tätig gewesen. Seit Mitte der 1990er Jahre hatte er mit der Forderung nach mehr Rückhalt für die Polizei und rechtsstaatlicher Härte gegenüber Straftätern zunehmend die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gesucht. Am 13. Juli 2000 gründete er eine ganz auf seine Person und das Thema der inneren Sicherheit zugeschnittene Partei, die Partei Rechtsstaatlicher Offensive (Schill-Partei). Umfragen prognostizierten Schill bald ein erhebliches Wählerpotenzial, das von unzufriedenen bisherigen SPD-, CDU- und STATT-Partei-Anhängern bis hin zur Gruppe der Nichtwähler reichte. Sie schrieben dem selbsterklärten Anti-Politiker eine klare Sprache, Souveränität und Führungsqualitäten zu. Zu seinem Erfolg trugen auch seine gutbürgerliche Herkunft und seine bisherige berufliche Karriere im Justizwesen bei.
Bürgermeister Runde vertraute im Wahlkampf auf die wirtschaftliche Stärke der Stadt, die sich in Neuansiedlungen von Firmen und seit 1997 auch in sinkenden Arbeitslosenzahlen bemerkbar gemacht hatte. In der Außenwahrnehmung und im Vergleich der Bundesländer untereinander erschien Hamburg als eine durchaus solide regierte, liberale und prosperierende Großstadt. Die konservative Lokalpresse erklärte sie dagegen zur „Hauptstadt des Verbrechens“. Nach dem Rücktritt Innensenator Hartmuth Wrocklages Ende Mai 2001 versuchte Runde, durch die Ernennung des Hamburger SPD-Landesvorsitzenden Olaf Scholz zum neuen Innensenator das Blatt noch zu wenden, bewirkte damit aber keinen grundlegenden Stimmungswechsel mehr in der Stadt.
Schill hatte sich mit der Ankündigung profiliert, als Innensenator 2.000 neue Polizisten einzustellen und die Kriminalität in der Stadt innerhalb von 100 Tagen halbieren zu können. Das „Hamburger Abendblatt“ charakterisierte ihn in Februar 2000 als „politischen Amokläufer“, die BILD-Zeitung und „Die Welt“ berichteten dagegen zunehmend positiver über Schill. In seinen Veranstaltungen erhielt er großen Zulauf, was die Aufmerksamkeit der Medien weiter steigerte. Dabei kamen die besonderen Bedingungen politischer Kommunikation in einem Stadtstaat wie Hamburg zum Tragen, von denen schon die STATT-Partei profitiert hatte. Ende Januar 2001 erklärte Ole von Beust, er könne sich nach der Wahl eine Koalition mit Schill vorstellen. In seinen Memoiren rechtfertigte von Beust dies später damit, dass Schill für die CDU eine „existentielle Gefahr“ dargestellt habe. Er habe nur mit ihm und nicht gegen ihn eine Chance gesehen, die SPD in der Regierung endlich abzulösen.
Bei der Wahl am 23. September 2001 erzielte die SPD mit 36,5 Prozent leichte Zugewinne und profitierte dabei sowohl von einem Anti-Schill-Effekt als auch den Terroranschlägen des 11. September in den USA zwei Wochen zuvor, die das Bedürfnis nach politischer Stabilität in Krisenzeiten stärkten. Da die GAL nach innerparteilichen Auseinandersetzungen um den außenpolitischen Kurs der Partei deutlich verlor und nur noch 8,5 Prozent der Stimmen erhielt, verfügte die bisherige Koalition über keine parlamentarische Mehrheit mehr. Verloren hatte auch Ole von Beusts CDU, die mit 26,2 Prozent das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielte. Dagegen gelang der Schill-Partei mit 19,4 Prozent ein überragender Wahlerfolg, der sich über alle Bezirke und die verschiedensten sozialen Gruppen erstreckte. In einzelnen Wahllokalen in Wilhelmsburg erreichte die Partei über 40 Prozent. Da auch die FDP mit 5,1 Prozent knapp den Einzug in die Bürgerschaft schaffte, konnte von Beust eine Drei-Parteien-Koalition bilden und wurde am 31. Oktober 2001 zum Ersten Bürgermeister gewählt. Die Schill-Partei stellte mit Ronald Schill den Zweiten Bürgermeister und Innensenator und erhielt noch zwei weitere Ressorts.
Politisch war die Ära von Beust geprägt durch das 2002 formulierte, neoliberal konnotierte politische Leitbild „Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“. Die Vorlage dazu hatte die Unternehmensberatung McKinsey 2001 in einem Strategiepapier geliefert. Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum waren zentrale Ziele. Ausformuliert wurde das Konzept u.a. in einer Rede von Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) im April 2003 vor dem Überseeclub und in Regierungsdokumenten in den folgenden Jahren. Vorgesehen waren die Förderung wirtschaftlich vielversprechender „Cluster“ (Hafen und Logistik, Luftfahrt, Medien und IT, Lebenswissenschaften, Gesundheitswirtschaft und Nanotechnologie) sowie der Ausbau der Kontakte zu der wirtschaftlichen Boomregion China. Städtebauliche und architektonische Wahrzeichen sowie sportliche, kulturelle, wissenschaftliche und politische „Ereignisse mit großer Strahlkraft“ sollten im globalen Wettbewerb der Regionen die internationale Aufmerksamkeit auf Hamburg lenken. Dazu gehörte auch eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2012, mit der Hamburg im April 2003 in der nationalen Vorauswahl scheiterte.
Dagegen sprach sich Peiner gegen die klassische „Daseinsvorsorge“ für die Bürgerinnen und Bürger als Aufgabe der Stadt aus. Öffentliche Unternehmen sollten zu Dienstleistern entwickelt und teilweise oder ganz privatisiert werden. Das betraf die städtischen Krankenhäuser, die HSH Nordbank, die HHLA, den Flughafen, die Hamburger Hochbahn und die Wohnungsgesellschaft SAGA-GWG. Auch die von der Wissenschaftsbehörde betriebene Ökonomisierung der Hochschulen und Umstrukturierungen in der bisherigen Kulturförderung wie die Streichung von Zuschüssen für die Geschichtswerkstätten trugen deutlich neoliberale Züge.
Überschattet waren die ersten zwei Jahre des CDU-Schill-FDP-Senats von politischen Pannen und Fehltritten, darunter Vorwürfen des Kokainkonsums gegen den Innensenator. Die angekündigten Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität erwiesen sich vielfach als praktisch nicht umsetzbar, so dass die Wochenzeitung „Die ZEIT“ Ende 2002 über Hamburg als „Hauptstadt des Versprechens“ spottete.
Der politische Aufstieg Schills endete am Vormittag des 19. August 2003. Im Rahmen einer Aussprache zwischen Bürgermeister von Beust und Schill, bei der es um die politische Zukunft des aufgrund privater Nebentätigkeiten in Bedrängnis geratenen Staatsrates in der Innenbehörde ging, warf Schill von Beust seinerseits vor, bei der Berufung von Justizsenator Roger Kusch Privates und Politisches verbunden zu haben und drohte damit, die Homosexualität von Beusts öffentlich zu machen. Daraufhin wies der Bürgermeister Schill aus seinem Amtszimmer, erklärte ihn als Innensenator für „charakterlich nicht geeignet“ und entließ ihn. Nach internen Auseinandersetzungen in der Schill-Partei verlor die Koalition wenige Monate später im Dezember 2003 ihre parlamentarische Mehrheit.
Neuwahlen am 29. Februar 2004 brachten einen fulminanten Wahlsieg von Beusts und der CDU, die mit 47,2 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Sitze in der Bürgerschaft errang und bis 2008 allein regieren konnte. Die SPD hatte sich mit 30,5 Prozent deutlich verschlechtert, die GAL erzielte 12,3 Prozent, FDP und Schill-Partei scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.
Bereits seit 1987 war Hamburg wieder eine „wachsende Stadt“. Von 1990 bis 2000 stieg die Zahl der Einwohner von 1,65 auf 1,72 Millionen Menschen. Dadurch entstand zusätzlicher Bedarf an Wohnraum. Die Zahl neu fertiggestellter Wohnungen war in den 1980er Jahren zurückgegangen und lag 1990 nur noch bei 2.826. Danach stieg sie deutlich an. Allein 1995 wurden fast 10.000 Wohnungen fertiggestellt. Die Gesamtzahl der verfügbaren Wohnungen in Hamburg stieg von rund 789.000 im Jahr 1990 über 824.000 im Jahr 1995 auf 863.000 im Jahr 2001. In den 2000er Jahren ging der Wohnungsbau wieder auf 3.000 bis 4.000 Wohnungen pro Jahr zurück und die Gesamtzahl der Wohnungen stagnierte bei 870.000 bis 890.000 Wohnungen.
Die Stadtentwicklungspolitik wandte sich dabei von dem Modell einer großformatigen Erweiterung der Stadt an den Rändern ab.
Nur im Bezirk Bergedorf wurde mit dem Neubaugebiet Allermöhe-West ein neues Quartier für bis zu 35.000 Menschen geplant. Es sollte sich durch eine aufgelockerte Bebauung, Begrünung und künstliche Fleete positiv von den Beton-Großsiedlungen der Vergangenheit abheben. Innerhalb von fünf Jahren vervierfachte sich die Zahl der Einwohner Allermöhes von 3.600 im Jahr 1995 auf 12.500 im Jahr 2000. Der neue Stadtteil litt aber bald ebenso unter einem negativen Image wie die älteren Großsiedlungen.
Ansonsten rückte die Weiterentwicklung vorhandener innerstädtischer Quartiere stärker ins Blickfeld. Im Mai 1997 machte Bürgermeister Voscherau spektakuläre Pläne des Senats für das Nordufer der Elbe öffentlich. Durch die Umnutzung alter Hafenflächen sollte zwischen der Speicherstadt und dem Fluss ein ganz neuer Stadtteil entstehen: die HafenCity. Auf mehr als 100 Hektar Landfläche sollte die Innenstadt mit rund 5.500 Wohnungen für 12.000 bis 15.000 Menschen und bis zu 45.000 Arbeitsplätzen zum Wasser hin erweitert werden. Die HafenCity stellte auch den Versuch einer Antwort auf das Bevölkerungswachstum in der Stadt und die Probleme der Suburbanisierung dar: Es ging darum, die Menschen zur Rückkehr in die Stadt zu bewegen und insbesondere die Innenstadt wieder ganztägig und nicht nur zu den Büro- und Geschäftszeiten zu beleben. Dazu sollte auch die 1994 beschlossene Verkehrsberuhigung in der Mönckebergstraße beitragen.
Allerdings entstanden in den 1990er Jahren auch neue Bürogebäude und Hotels in der Innenstadt, z.B. das markante Gebäude des Verlagshauses Gruner + Jahr am Baumwall, die Bauten auf der nahegelegenen Fleetinsel oder das Hanseatic Trade Center an der Kehrwiederspitze in der Speicherstadt. In Altona am Nordufer der Elbe wurde gegen Bürgerproteste vor Ort der alte Holzhafen mit Bürogebäuden bebaut. Auch in Hammerbrook entstanden mit der City Süd vor allem Bürobauten. Dagegen mehrten sich in der in den sechziger Jahren „auf der grünen Wiese“ gebauten Bürostadt City Nord die Leerstände.
Die Zunahme der Bevölkerung und das Wirtschaftswachstum verschärften die innerstädtischen Verkehrsprobleme Hamburgs und die damit verbundene Umweltbelastung. Anfang 1991 erfasste an der Stresemannstraße in Altona erstmals eine Messstation die Luftverschmutzung. Im August 1991 löste dort der Tod eines kleinen Mädchens bei einem Verkehrsunfall massive Proteste der Anwohner gegen die bis zu 50.000 Fahrzeuge täglich in ihrer Straße aus. Die Stadt litt unter einem Verkehrsnetz, das strukturell auf das Auto und geographisch auf die Innenstadt sowie den Hafen ausgerichtet war, aber mit der wachsenden Zahl der LKW und Autos immer weniger Schritt halten konnte. 1995 begann der Bau einer vierten Elbtunnelröhre für die Autobahn A 7. Für den Wirtschaftsverkehr hätte zudem die sogenannte Hafenquerspange – eine Verbindung zwischen der A 7 im Westen und A 1 im Osten – Entlastung bringen können, aber sie kam über Vorplanungen nicht hinaus.
Den öffentlichen Nahverkehr dominierten in vielen Stadtteilen Autobusse, nachdem der Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes aus finanziellen Gründen schon Ende der 1970er Jahre weitgehend zum Erliegen gekommen war.
Immerhin erfolgten nach langen Diskussions- und Planungsvorläufen kleine Ergänzungen wie die Erweiterung der U 1 nach Norderstedt-Mitte 1996, der U 2 nach Mümmelmannsberg und Niendorf-Nord (1990/1991) und der Bau einer S-Bahn-Abzweigung zum Flughafen (2008). Die Grünen setzten sich in ihren Wahlkämpfen für die Förderung des Fahrrads und für die Wiedereinführung der Straßenbahn ein, aber konkrete Beschlüsse des rot-grünen Senats 2001 und des schwarz-grünen Senats 2008 zur Stadtbahn wurden später jeweils wieder verworfen.
Hamburg war als Hafenstadt und größte Stadt der alten Bundesrepublik seit Jahrzehnten das Ziel von Zuwanderung gewesen. 1990 waren rund 196.000 Ausländerinnen und Ausländer in Hamburg gemeldet, 1995 waren es 254.000 und im Jahr 2000 262.000. Danach lag ihre Zahl bis 2015 durchgehend niedriger. Die größte Gruppe bildeten rund 60.000 Türkinnen und Türken, die teilweise im Zuge der Arbeitsmigration seit den 1960er Jahren, teilweise aber auch als politische Flüchtlinge in die Stadt gekommen waren. Durch den Fall der Mauer beschleunigte sich der Zuzug von Menschen aus der ehemaligen DDR und aus den Ländern Mittel- und Osteuropas. 1992 kamen Kriegsflüchtlinge aus dem zerfallenden Jugoslawien hinzu. In den frühen 2000er Jahren stellten Polen und Serben bzw. Montenegriner mit jeweils ungefähr 20.000 Menschen die zweit- bzw. drittgrößten Gruppen. Zudem gab es bereits einen Zulauf von Asylbewerbern aus Afghanistan und Afrika.
In hafennahen Stadtteilen wie z.B. Wilhelmsburg, das in dieser Hinsicht über eine viele Jahrzehnte zurückreichende Erfahrung verfügte, lebten deutsche und migrantische Bewohnerinnen und Bewohner unterschiedlicher Nationalitäten und Generationen zusammen. Dies spiegelte sich nicht zuletzt in der lokalen Gewerbestruktur, in Nachbarschaftsinitiativen oder Sportvereinen wider. Die SPD-geführten Senate hielten aber lange an der offiziellen Sprachregelung fest, die Bundesrepublik sei kein Einwanderungsland. Eine breiter fundierte Integrationspolitik hatte sich so nicht entwickelt. Zwar wurde im April 1990 das Amt eines Ausländerbeauftragten beim Senat eingerichtet, aber der Posten wurde mit dem SPD-Politiker Günter Apel ehrenamtlich besetzt und war nicht mit Kompetenzen ausgestattet. Der Versuch, länger hier lebenden Ausländern das kommunale Wahlrecht zu geben und sie so stärker in die städtische Politik einzubeziehen, scheiterte im Oktober 1990 am Einspruch des Bundesverfassungsgerichts.
Als konfliktträchtig erwies sich in den frühen 1990er Jahren die Unterbringung von Asylbewerbern in heruntergekommenen Gebäuden wie dem ehemaligen Stundenhotel „Interrast“ und der Schiller-Oper auf St. Pauli, in Wohnwagendörfern, Wohncontainern oder aufgegebenen Bundeswehrkasernen. Die Situation in Neumühlen im Bezirk Altona illustrierte im Frühjahr 1993 die Herausforderungen, vor denen die Stadt stand: Dort lebten auf fünf alten Hotelschiffen auf der Elbe rund 2.000 Asylbewerber. Weder waren die Anwohner in die Entscheidung für diesen Standort einbezogen worden, noch gelang es den Behörden, die sozialen Probleme in den Griff zu bekommen, die sich aus der Enge und Perspektivlosigkeit auf den Schiffen und kleinkriminellen Aktivitäten in ihrem Umfeld ergaben.
Ein eindrucksvolles Zeichen gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus setzte Hamburg am 13. Dezember 1992. Nach dem von Rechtsextremisten verübten Brandanschlag auf zwei Häuser in Mölln mit drei türkischen Todesopfern im November 1992 bildeten 450.000 Menschen eine mehr als 10 Kilometer lange Lichterkette rund um die Binnen- und Außenalster. Zum „Alsterleuchten“ aufgerufen hatten die Hamburger Medien. An der Veranstaltung selbst – der größten Demonstration, die Hamburg jemals erlebt hatte – beteiligten sich auch der Senat, die politischen Parteien, Gewerkschaften und Kirchen.
Obwohl die Ereignisse der 1990er und frühen 2000er Jahre inzwischen 20-30 Jahre zurückliegen, sind sie als Vorgeschichte der Gegenwart schwieriger auf den Begriff zu bringen als weiter zurückliegende Epochen. Blickt man auf zeitgenössische Debatten in der Bürgerschaft und den Medien zurück, so entsteht auf der einen Seite das Bild eines liberalen multikulturellen „wachsenden Hamburgs“, das auch wirtschaftlich wieder Tritt gefasst hatte und mit der HafenCity und anderen Stadtentwicklungsprojekten auf das neue Jahrtausend zustrebte. Auf der einen Seite findet sich das Bild einer politisch erstarrten, von vielfältigen sozialen Problemen, Kriminalität und Verkehrsüberlastung geplagten Stadt, die im innerdeutschen und europäischen Wettbewerb zurückzufallen drohte. Je nach Blickwinkel der Historikerin bzw. des Historikers – oder der Zeitzeugin bzw. des Zeitzeugen – treten unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund und die Deutungen verändern sich. Das macht auch in der Stadtgeschichte den Reiz gegenwartsnaher Geschichtsschreibung aus.
Ausgewählte Literatur:
Eder, Angelika (Hg.): „Wir sind auch da!“ Über das Leben von und mit Migranten in europäischen Großstädten, München / Hamburg: Dölling und Galitz, 2003.
Fahnenbruck, Nele Maya / Meyer-Lenz, Johanna (Hg.): Fluchtpunkt Hamburg. Zur Geschichte von Flucht und Migration in Hamburg von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Bielefeld: transcript, 2018.
Friedrichs, Jan-Henrik: „Hamburg voll bedröhnt.“ Illegalisierter Drogenkonsum im urbanen Raum, in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (Hg.), 19 Tage Hamburg. Ereignisse und Entwicklungen der Stadtgeschichte seit den fünfziger Jahren, München / Hamburg: Dölling und Galitz, 2012, S. 295-308.
Hamburg – Porträt einer Weltstadt 90 / 91 / 92 / 93 / 94 / 95 / 96 / 97 / Jahrbuch 98 / Jahrbuch 99 / Jahrbuch 2000 / Jahrbuch 2001 / Jahrbuch 2002 / Jahrbuch 2003, jeweils hg. vom Hamburger Abendblatt, Hamburg 1990-2003.
Klein, Markus / Ohr, Dieter: Der Richter und sein Wähler. Ronald B. Schills Wahlerfolg als Beispiel extremer Personalisierung der Politik, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 33 (2002), Heft 1, S. 64-79.
Neumann, Arndt: Unternehmen Hamburg. Eine Geschichte der neoliberalen Stadt, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2018.
Rinn, Moritz: Konflikte um die Stadt für alle. Das Machtfeld der Stadtentwicklungspolitik in Hamburg, Münster: Westfälisches Dampfboot, 2016.
Bildnachweise:
Abb. Slider: Hafencity (Foto Reinhard Kaasch), nach Wikimedia Commons (https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:RK_1009_9912_HafenCity_Alster.jpg).
Abb. Epochentext: Hafencity (Foto Reinhard Kaasch), nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:RK_1009_9904_Elbphilharmonie_HafenCity.jpg?uselang=de) / CTA mit Berlin Express, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlin_Express_(ship,_2003)_001.jpg?uselang=de) / Transrapid 05 auf der IVA 1979, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Transrapid05.JPG) / Metropolregion Hamburg 2017, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Metropolregion_Hamburg_2017.png) / Hafenstraße 1993, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburg-Hafenstrasse-08-Haus-1993-gje.jpg?uselang=de) / Ehemaliges Hafenkrankenhaus, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ehemaliges_Hafenkrankenhaus_in_Hamburg-Sankt_Pauli_1.jpg?uselang=de) / Beluga bei Airbus in Finkenwerder (aeroprints.com), nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:F-GSTB_-_2_Airbus_A300B4-608ST_Beluga_Airbus_(8633550771).jpg) / Kurdendemo 1996, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kurden_demo0001.JPG?uselang=de) / Fleetplatz Neuallermöhe, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburg_Allerm%C3%B6he_Neuallerm%C3%B6he_Fleetplatz_Wochenmarkt.jpg) / Fleethof, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fleethof,_Hamburg.jpg) / S-Bahn-Station Flughafen, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:S-Bahn_HH-Airport_06.jpg) / Wohnschiff Bibbi Altona, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bibbi_Altona-Hamburg.jpg).