Roswitha Rogge
Das Verbrechen der Zauberei
Bereits im Mittelalter existierte der Glaube an Magie und Zauberei; man sagte der Zauberkunst positive oder schädliche Wirkung nach. Die Hilfe, die heilkundige Menschen durch magische Praktiken (Kräuter, Segenssprüche, Handauflegen) leisteten, war allgemein anerkannt; wurde die Zauberkunst jedoch zum Schaden einer Person ausgeübt, so wurde sie mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bestraft. Hierzu musste der Täter „auf der frischen Tat ertappt“ werden. Im ersten norddeutschen Rechtsbuch, dem Sachsenspiegel von 1220, wird dieses Gesetz genannt, ebenso im ersten hamburgischen Gesetzbuch, dem Stadtrecht von 1270. Aus dieser Zeit sind nur wenige Opferzahlen überliefert.
Im 15. Jahrhundert verstärkte die Kirche ihren Kampf gegen unchristliche Vorstellungen und abergläubische Praktiken, um ihren Einfluss in der Gesellschaft zu sichern. Die Kirchenvertreter gingen systematisch gegen alle Personen vor, die den rechten Glauben in Frage stellten. Hierzu gehörten die Ketzer, d.h. die Christen, die von Gott abgefallen waren und anderen Glaubenslehren anhingen, und auch die vermeintlichen „Hexen“: Diesen wurde auch vorgeworfen, vom heiligen christlichen Glauben abgefallen zu sein; außerdem konnten sie angeblich die Gesundheit von Mensch und Tier schädigen und das Wetter oder auch Liebesbeziehungen beeinflussen.
Im Jahre 1487 wurde der so genannte Hexenhammer, der „malleus maleficarum“, veröffentlicht. In diesem Handbuch für die Hexenprozesse beschrieb der Verfasser, ein Mönch, ausführlich, warum besonders Frauen anfällig für die Hexerei seien, und gab genaue Anweisungen, wie die weltlichen Gerichte die Prozesse durchführen sollten. Die Mitmenschen wurden aufgefordert, verdächtige Personen anzuzeigen. Um ein Geständnis der Angeklagten zu erzwingen, wurde die Folter eingesetzt. Damit wurden die Hexereiangeklagten vor Gericht wie andere Schwerverbrecher behandelt.
Jeder „Hexe“ wurde vorgeworfen, einen Vertrag mit dem Teufel („Teufelspakt“) geschlossen und mit dessen Hilfe Schadenzauber ausgeübt zu haben; außerdem hielten sie Beischlaf (Geschlechtsverkehr) mit dem Teufel („Teufelsbuhlschaft“) und flögen auf Besen oder auf dem in ein Tier verwandelten Teufel („Hexenflug“) zum Hexentanz und zum Feiern(„Hexensabbat“). Dank der Erfindung des Buchdrucks verbreitete sich der „Hexenhammer“ schnell; die neuen Ideen wurden von den Gelehrten in weiteren Schriften übernommen und in den Predigten in der Bevölkerung verbreitet. In der Folge gingen weltliche und geistliche Herrscher gegen das Hexenwesen vor; es gab Gegenden mit einer sehr hohen Anzahl von Hexenprozessen, während in anderen Gebieten kaum Verfolgungen stattfanden.
In Hamburg wurden mindestens 40 Frauen durch das städtische Gericht wegen Schadenzauber bzw. Teufelspakt verurteilt. Bereits im Jahre 1444 wurden die „Zauberin“ Katherina Hane und eine Wahrsagerin verbrannt. Aus dem Jahre 1642 stammt die letzte bekannte Überlieferung eines Hexenprozesses aus Hamburg: In diesem Jahr wurde Cillie Hempels verurteilt, die ihren Ehemann mithilfe zauberischer Mittel ermordet haben soll. Die Rechtsgrundlage für die Verurteilung war das hamburgische Stadtrecht, das den Schadenzauber und später auch den Teufelspakt unter Strafe stellte. Aus dem Jahre 1497 stammt die sogenannte Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts, in der jedes Rechtskapitel mit einer Miniatur (= Illustration) versehen ist.
Die Hexenverfolgung forderte in Mitteleuropa 50 bis 60.000 Todesopfer. Zwei Drittel der Opfer waren weiblich. Seit dem 18. Jahrhundert wurden die Hexerei und der Schadenzauber nicht mehr als Straftat betrachtet, der Glaube an zauberkundige Personen verschwand jedoch nicht. Angebliche Tränke-Köchinnen kamen als Betrügerinnen vor Gericht. Frauen wurden – auch in Norddeutschland – noch im 20. Jahrhundert als Hexe beschimpft und diskriminiert.
Grundlegende Literatur:
Rogge, Roswitha: Hexenverfolgung in Hamburg, in: https://www.historicum.net/en/themen/hexenforschung/lexikon/alphabetisch/h-o/
Weiterführende Links:
Website des Theologen Hartmut Hegeler, der sich für die Erinnerung und die Rehabilitation der Opfer der Hexenprozesse einsetzt. → hier.
Bildnachweise:
Abb. Titelfeld: Von den schweren Strafen (Ausschnitt: Zauberin und Gefängnis), Buchmalerei aus dem Stadtrecht 1497, © HAB http://digilib.hab.de/mss/ed000058/start.thm?image=00504.
Abb. Thementext: Von den schweren Strafen, Buchmalerei aus dem Stadtrecht 1497, © HAB http://digilib.hab.de/mss/ed000058/start.thm?image=00504.