Frauen in der Zeit der Reformation

Roswitha Rogge und Silke Urbanski

Vorgegebene Lebenswege

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Junges Paar um 1605

Im Spätmittelalter stand den Frauen aus wohlhabenden Familien der Weg in die Ehe oder in das Kloster offen. Ehen wurden von den Müttern und Vätern arrangiert, sowohl für Mädchen als auch für Jungen. Dabei standen der Erhalt des Vermögens und des Ansehens der Familie im Vordergrund. Das Leben der Bürgerin war geprägt von der Leitung des Haushalts und des Gesindes, der Mitarbeit an der Buchführung und der Erziehung der Kinder. Sie bildete die Jungmägde aus und repräsentierte die Familie bei Kirchgängen und auf Festen. Sie musste lesen und schreiben können.

In den städtischen Handwerker- und Kaufmannshaushalten trugen die Ehefrauen durch ihre Mitarbeit im Geschäft sowie durch die Herstellung eigener Produkte für den täglichen Bedarf (z.B. die Bierbrauerei) zum Erfolg der häuslichen Wirtschaft bei. Handwerksmeisterfrauen und Töchter beherrschten das Gewerk ihrer Familie und halfen bei der Produktion mit. Auch hier wurden die Ehen durch Einvernehmen der Eltern geschlossen. Unverheiratete Frauen der Unter- und Mittelschicht arbeiteten als Mägde oder Kleinhändlerinnen.

Frauen waren ebenso  wie Männer an den Fragen des Glaubens interessiert. Ihnen ging es um ihr Seelenheil und um das ihrer Familienmitglieder. Sie gingen mehrfach in der Woche in die Kirche, sie legten Beichte ab und gaben Almosen. Diejenigen, die lesen konnten, lasen Flugschriften ebenso wie die Männer. Wohlhabende Frauen sorgten für „Hausarme“,  die sie regelmäßig unterstützten. Unter den Frauen der Kaufherren und Händler fanden sich jene, die Gastgeberinnen für den ersten lutherischen Wanderprediger, Johann Widembrügge aus Stade waren.

Die Priesterehe war nicht jedoch gestattet, dennoch lebten viele Frauen, als „Konkubine“ verschmäht, an der Seite eines Geistlichen. Wenn sich ein Geistlicher und eine Frau verliebten, war es für die Frau der Weg in die Unehrsamkeit.

Einige wohlhabende Töchter wurden in die benachbarten Nonnenklöster geschickt, in denen sie eine gesicherte Existenz und Bildungsmöglichkeiten hatten. Im Kloster Harvestehude machten die Hamburgerinnen 80% des Konvents aus. Weitere Hamburgerinnen fanden sich in Lüne, Reinbek und Uetersen in den Klöstern. Ein geistliches Leben konnten Töchter der Mittelschicht führen, wenn sie in den Beginenkonvent eintraten. Die Hamburger Beginen lebten in der Nähe der Kirche St. Jakobi. Sie unterrichteten Mädchen und arbeiteten in der Krankenpflege.

Im ausgehenden Mittelalter war es Frauen noch nicht möglich, als theologische Akteurinnen aktiv am Prozess der Reformation mitzuwirken – (Theologie-)Studium und Priesteramt lagen für Frauen noch in weiter Ferne. Die einzige Möglichkeit, theologisches Wissen zu sammeln lag im Kloster oder im Beginenkonvent. Frauenklöster wie das Zisterzienserkloster Harvestehude waren Städten des Lernens, der Gebets und der Arbeit. Seine Güter wurden von der Äbtissin verwaltet, die zu diesem Zweck als männlichen Vertreter den Propst beschäftigte. Dieses Privilegien verteidigte Caecilia von Oldessem, die Äbtissin des Klosters Harvestehude. Sie argumentierte theologisch gegen die lutherische Ansicht, dass das Klosterleben nicht den Evangelien entsprach. Bugenhagen verfasste eine Schrift gegen das Kloster- und Beginenleben, welche sich sehr wahrscheinlich gegen das Kloster Harvestehude richtete. Doch Caecilia von Oldessem konnte die Reformation nicht aufhalten, 1530 wurde das Kloster abgerissen, die meisten Nonnen gingen in ihre Familien zurück, 19 blieben als Stift zusammen, nahmen aber die lutherische Konfession an.

Die Reformatoren lösten die Klöster auf und führten die Priesterehe ein. Das Ideal der tugendhaften Pfarrfrau sollte die schlechte Lebensform der „Pfaffenhure“ ersetzen. So wurden die Konkubinen der Geistlichen genannt. Die Ehe wurde als erste Ordnung Gottes angesehen; während die in der Ehe gelebte Sexualität aufgewertet wurde, nahm die Diskriminierung von Frauen, die in nichtehelichen sexuellen Beziehungen lebten, zu.

Frauen, die nicht heirateten, sollten in ihren Familien hilfreich mitarbeiten. Die Reformatoren setzten sich somit für eine Neugestaltung der Frauenrollen in der städtischen Gesellschaft ein – bedeuteten diese Ideen aus heutiger Sicht einen Fortschritt für die Frauen? Es gab für sie nur noch einen Weg: Das Leben in der Famile.

 

Grundlegende Literatur:

Röckelein, Hedwig: Hamburger Beginen im Spätmittelalter – „autonome“ oder „fremdbe­stimmte“  Frauengemeinschaft? In: Das Mittelalter, 1, 1996, H. 2, S. 73-88.

Rogge, Roswitha und Wacker, Hildegard: Von ehrbaren Hausfrauen und berüchtigten Frauenspersonen. Frauen und Konfliktregelung in Hamburg im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, hg. v. Amt für Schule Hamburg, Hamburg 1998.

Rogge, Roswitha: Zwischen Arbeit, Kirche und Moral. Hamburger Frauenleben während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Hamburg 2000.

Dies.: Zwischen Moral und Handelsgeist. Weibliche Handlungsräume und Ge­schlechterbeziehungen im Spiegel des hamburgischen Stadtrechts vom 13. zum 16. Jahrhun­dert, Frankfurt/M. 1998.

Urbanski, Silke: Die Geschichte des Klosters Harvestehude – In Valle Virginum, Münster ²2001 (Veröffentlichungen des Hamburger Arbeitskreises für Regionalgeschichte; Bd. 10).

 

Bildnachweise:

Abb. Titelfeld: Hamburg im 16. Jahrhundert (Ausschnitt), Kupferstich (Georg Braun/Franz Hogenberg), Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN612045943 (CC BY-SA 4.0).

Abb. Thementext: Hamburger Paar in Tracht des Frühen 17. Jhs., Kupferstich (Otto Speckter, nach Vorlage von J. Derckse): Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_288-05.