Weihnachten in der Nachkriegszeit

Silke Urbanski

Hamburger Echo, 24.12.1946

In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Währungsreform lebten die Hamburger in einer Mangelgesellschaft. Für den Großteil der Bevölkerung galt es, das Überleben zu sichern und die Familie zusammen zu führen.
Die Probleme, die sich dabei ergaben, können beispielhaft an den Versuchen, ein Weihnachtsfest zu gestalten, beobachtet werden.
Zum Zeitpunkt der Befreiung Hamburgs vom Nationalsozialismus war die Stadt zu großen Teilen zerstört.

Nur 20% der Wohnungen der Vorkriegszeit sind ohne Schäden, knapp 50% der Wohnungen sind zerstört. Neunundsechzig Prozent der Hamburger hatten durch den Bombenkrieg ihre Habe verloren. Die britische Besatzungsmacht stellte Nissenhütten zum Wohnen für mehr als 42.000 Hamburger zur Verfügung.

Viele Arbeitsplätze waren durch die Kriegsschäden nicht mehr existent, so waren auch 80% des Hafengebiets zerbombt. Die ausreichende Versorgung mit Nahrungs-  und Heizmitteln war die stetige Sorge der von den britischen Besatzungsbehörden eingesetzten Verwaltung, aber auch der einzelnen Bürger.

Sofort nach dem Krieg wurde jedes bisschen Boden, das man zu Gemüsegärten machen konnte, beackert; auf Balkonen und in Hinterhöfen versuchten die Hamburger Kaninchen zu züchten, Sirup zu kochen oder Honig zu produzieren. Doch dies reichte nicht für die Versorgung einer Großstadt – vor allem nicht über den Winter hinaus. Die Verwaltung  musste einerseits die Versorgung der Bevölkerung mit „Kalorien“ stetig neu absichern, indem Lieferungen von Nahrungsmitteln aller Art in die Stadt organisiert wurden, andererseits galt es den Kohlenklau und den Schwarzmarkthandel zu bekämpfen.

Die Rationen und auch die Zuteilung von Kohle und Kleidung für jeden Verbraucher waren nach Geschlecht, Alter und Arbeitseinsatz genau festgelegt. Dies bedeutete aber nicht, dass die entsprechenden Güter allerorts zur Verfügung standen. Wer über die das öffentliche Angebot oder über die Zuteilung auf Lebensmittel- und Versorgungskarten hinaus etwas erwerben wollte, musste zu kriminellen Mitteln greifen. Auf den Schwarzmärkten fanden sich vieles, was offziell nicht vorhanden war:  gestohlene Waren, ferner Produkte, die die Bauern nicht abgegeben hatten, um höhere Preise zu erzielen, und „gebunkerte“ Waren, die Einzelhändler aus selbigen Gründen versteckt hielten. Hier galt es zu tauschen. Als Leitwährung galten amerikanische Zigaretten. Aber auch wer noch über Silberbesteck, Schmuck, Wertgegenstände oder Kleidung verfügte, konnte sie hier anbieten, um Nahrung und Heizmittel zu bekommen. Viele Menschen fuhren mit den Schienenwagen in ländliche Gebiete, um den Bauern ihre Wertgegenstände gegen Nahrungsmittel anzubieten. Auch diese „Hamster-“ oder „Kartoffelfahrten“ waren nicht legal.

Der Kohlenklau, bei dem sportliche, oft jugendliche Hamburger auf die Kohlentransporte aufsprangen und anderen die wertvollen Brennstoffe herunterwarfen, war ebenso verboten und auch lebensgefährlich. Dennoch kamen große Teile der Kohlen nie in den Depots an. Ein weiteres Problem für die Verwaltung.
Der Winter 1946/47 war besonders hart und die Versorgungslage schlecht. Die Temperaturen lagen an etlichen Tagen bei unter 20 Grad Minus, Krankenhäuser konnten nicht mehr beheizt werden. Menschen erfroren in ihren Behausungen. Kohlentransporte wurden nun von der Polizei geschützt. Park- und Straßenbäume wurden heimlich nachts gefällt, die Menschen suchten unter Lebensgefahr Trümmergrundstücke nach Brennbarem ab. Die Schulen wurden geschlossen – aus Heizmittelmangel und weil die Kinder keine Schuhe hatten, um den Schulweg zu bewältigen. Der Nachteil war, dass dies die Kinder um ihre Schulspeisung brachte, denn in den Schulen wurden Nahrungsmittel aus Spenden aus Schweden, Kanada, den USA , Island und anderen verteilt.

Dennoch versuchten vor allem Mütter, Weihnachtliches in ihren Behausungen zu gestalten. Braune Kuchen wurden aus Kartoffeln, Gewürzmischungen und Sirup hergestellt, eine Kerze ersetzte den Weihnachtsbaum, statt Geschenken gab es „bunte Teller“ mit einzelnen Früchten, Trockenobst vom Sommer und wenigen aus Notrationen hergestellten Keksen. An Schokolade oder Weihnachtsbraten war ohne Schwarzmarktkontakte nicht zu denken. Sogar Streichhölzer waren Mangelware.

1947 bereitete die Verwaltung unter Bürgermeister Max Brauer das Fest vor, was aber nicht bedeutete, dass jeder davon profitierte. Für die 1,6 Millionen Hamburger standen zum Beispiel nur 200.000 Weihnachtsbäume zur Verfügung. Aber jedes Kind erhielt eine Ration von 250 Gramm Süßem. Notwendig war dies allemal, da die Hamburger Jungs und Deerns zu jener Zeit im Durchschnitt acht Kilogramm Untergewicht hatten.

Auch in dieser Weihnacht waren auf dem bunten Teller vor allem Äpfel zu finden. Zum Backen gab es pro Person im Monat Dezember ein Kilogramm Mehl. Für alle Hamburger standen nur 15 Tonnen Geflügel zur Verfügung. Diese wurden auf Verwaltungsbeschluss in den Krankenhäusern verbraucht. Spielzeug aus Altmaterialien wurde als Weihnachtsgeschenke zum Kauf angeboten, aber Kerzen waren weiterhin ebenso Mangelware wie im Jahr zuvor.
Die Weihnachtswünsche der Kinder waren anderer Art: warme Schuhe, eine Wolldecke oder eine Weihnachtskerze, ein Teller Süßigkeiten oder eine Tafel Schokolade, Hefte zum Schreiben, ein Füllfederhalter oder ein Winterkleid. Oft hatten Kinder nur einen einzigen Wunsch.

Die Familien sehnten sich nach der Rückkehr von Kriegsgefangenen, nach dem Wiedersehen mit Familienmitgliedern und nach einem geregelten Leben mit Arbeit, Wohnung, Essen.

Grundlegende Literatur:

Albrecht Schreiber: Hamburg 1947, Lübeck 2007.

Bildnachweise:

Abb. Titelfeld und Thementext: Karikatur aus Hamburger Echo, 24.12.1946, S. 8.