Dominik Kloss
Auch wenn bei der Gründung Ham(ma)burgs im 9. Jahrhundert der Schutz der Grenzen des Ostfrankenreiches und die Missionierung der benachbarten Gebiete wohl noch eine größere Rolle gespielt hatten, war seine Entwicklung zu einem bedeutsamen Handelsplatz vorgezeichnet.
Immerhin lag die Siedlung von Anfang an am Kreuzungspunkt mehrerer Wasser- und Landwege, von denen vor allem die Elbe als großer von Südosten nach Nordwesten fließender Strom sowie ein alter, in ost-westlicher Richtung am nördlichen Elbufer entlangverlaufender Handelsweg wichtig waren. Daneben gab es die Alster und weitere Routen, die in nord-südlicher Richtung Hamburg erreichten oder sein Umland passierten. So konnten sich in Hamburg leicht benachbarte Völkerschaften wie Sachsen, Dänen, Friesen oder die slavischen Obotriten zum gemeinsamen Warenaustausch treffen – zumindest wenn zwischen ihnen Frieden herrschte.
Darüber hinaus kamen viele Händler und Waren, die von Russland oder Skandinavien aus nach Westeuropa unterwegs waren (und andersherum), des Öfteren auch durch das Hamburger Gebiet. Diese günstige Verkehrslage und mit ihr die Einbindung der Stadt in übergeordnete Handelsrouten und -bündnisse war eine nicht zu unterschätzende Vorbedingung für die erfolgreiche Entwicklung Hamburgs in den folgenden Jahrhunderten. Und das spiegelt sich noch heute in der zweiten Hälfte der offiziellen Stadtbezeichnung „Freie und Hansestadt“ wider.
Hatte zuvor für diese Zwecke noch das schmale Reichenstraßenfleet als Landungsstelle unterhalb der Hamburger Altstadt ausgereicht, verlagerte sich im frühen 13. Jahrhundert der Hafen an den breiteren und tieferen Hauptarm der Alster.
Auf dem gegenüberliegenden Ufer der Alsterschleife bot die seit dem Jahr 1188 angelegte Neustadt Platz für viele Kaufleute (und ihre Schiffe), deren Ansiedlung durch Privilegien erleichtert worden war. Hier konnte sich bald der Handel mit Metallen, Tuchen und Holz etablieren, für den Hamburg durch seine Lage etwa mittig zwischen Nord- und Ostsee sowie weiter im Binnenland gelegenen Gegenden zu einer wichtigen Zwischenstation wurde. Die Alster konnte man aber nicht nur gut als neuen Flusshafen, sondern auch zum Antreiben von Wassermühlen nutzen (siehe Epochentext), was auch weitere Vorteile mit sich brachte. Denn die neuen Mühlen und das etwa zeitgleich einen raschen Aufschwung erlebende Braugewerbe in Hamburg zogen die Getreideproduktion des Umlandes in die Stadt.
Insbesondere Bier und Getreide, aber zum Beispiel auch Schweinefleisch sollten begehrte Güter werden, für deren Ausfuhr Hamburg im Mittelalter bekannt werden sollte.
Dass in der Neustadt viele Kaufleute lebten, lässt sich durch die Auswertung von zeitgenössischen schriftlichen Quellen, etwa Schuld- oder Rentenbüchern, in denen die jeweiligen Fernhändler mit ihren Grundstücken genannt werden, herausfinden.
Aber vor allem in der südlichen Hamburger Altstadt kann man auch heute noch gut anhand verschiedener Straßennamen nachvollziehen, welche Handwerker hier lebten oder welche Produkte hier hergestellt bzw. weiterverarbeitet wurden.
Kaufleute wie Handwerker profitierten beide von verschiedenen Maßnahmen, die man vor allem seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert in Hamburg zur Beförderung und Vereinfachung des Handels umsetzte.
Dazu zählten der Bau von weiteren Brücken zwischen Alt- und Neustadt, die Pflasterung der (deshalb so benannten) Steinstraße und auch die Errichtung eines Drehkrans direkt am Alsterhafen. Wichtig war aber auch, dass Hamburg, nachdem es die Münzprägestätte von seinen Stadtherren zunächst gepachtet und dann gekauft hatte, seit dem Jahr 1325 das Münzrecht besaß, also eine eigene Währung herausgeben konnte.
Zu dieser Zeit hatte man sich in Hamburg auch in anderen Angelegenheiten weitgehend von der Abhängigkeit der Schauenburger Grafen losgelöst und sah sich nun vor die Aufgabe gestellt, den Handel außerhalb der Stadtgrenzen selbst zu schützen. Die Fertigstellung des bis heute erhaltenen steinernen Wehrturms auf der Insel Neuwerk in der Elbmündung war eine entsprechende Maßnahme.
Um für sichere Handelswege in den Gebieten östlich der Stadt zu sorgen, wo sich einige Adlige von ihren kleinen Burgen aus als Raubritter betätigten, hatte sich Hamburg schon zuvor mit seiner Nachbarstadt Lübeck abgestimmt.
Lübeck war in kurzer Zeit schnell gewachsen und im Jahr 1226 durch ein kaiserliches Privileg zu einer reichsfreien Stadt erklärt worden, was hieß, dass es seitdem weitgehend unabhängig war. Es nutzte diese neue Rechtsstellung, um besonders im Ostseegebiet eigenständig zahlreiche Handelsbeziehungen zu knüpfen. Für die Weiterführung dieser Handelsbeziehungen an die Nordsee war die Verbindung nach Hamburg von besonderer Wichtigkeit, weshalb man in diesen Jahren den Weg zwischen den beiden Städten zu einer für zahlreiche Händler mit ihren Gespannen geeigneten Straße ausbaute. Weil diese Straße nun offenbar durch Raubüberfälle bedroht war, schlossen Hamburg und Lübeck 1241 einen Vertrag mit dem Ziel, gemeinsam dagegen vorzugehen.
Die Zusammenarbeit der beiden Städte erstreckte sich aber nicht nur auf ihr jeweiliges Hinterland, sondern war auch beim Vorgehen in anderen, über den Seeweg leicht zu erreichenden Ländern von Vorteil. So schloss man etwa im Jahr 1252 für Flandern (im heutigen Belgien), 1266 für England und 1283 für Schonen (im heutigen Südschweden) Verträge mit den dortigen Herrschern, um die drohende Auferlegung von Handelsbeschränkungen zu vermeiden.
Auch andere deutsche Städte, in denen Kaufleute Einfluss besaßen, taten sich in dieser Zeit immer wieder und mit einer zunehmenden Regelmäßigkeit zusammen, um ein gemeinsames, für alle Beteiligten vorteilhaftes Vorgehen zu beraten. Diese Beratungen, Absprachen und Zusammenschlüsse vor allem zwischen den norddeutschen Städten sind unter dem Begriff der Hanse bis heute bekannt geblieben.
Eine Hanse oder Hansa war ursprünglich nur die Bezeichnung für eine Gruppe von Kaufleuten, die sich auf einer Handelsreise zum gemeinsamen Schutz zusammentaten. Als Sammelbegriff für deutsche Kaufleute wird der Begriff ab der Mitte des 12. Jahrhundert geläufig und vor allem an den äußeren Enden ihrer Handelsrouten gebraucht.
Für Hamburg am nächsten und daher schon früh von Bedeutung waren die Vertretungen deutscher Kaufleute in der englischen Hauptstadt London sowie im flandrischen Brügge.
In London hatten schon im Jahr 1157 Kölner Kaufleute einen Gebäudekomplex direkt an der Themse als Niederlassung erhalten, in dem sich später dann auch Hamburger und Lübecker Kaufleute regelmäßig aufhielten. In Brügge gaben dann Hamburger und Lübecker Kaufleute ab der Mitte des 13. Jahrhundert den Ton an.
Während in London und Brügge vor allem Tuche verhandelt wurden, war im norwegischen Bergen Fisch das wichtigste Handelsgut. Hier setzten sich deutsche Kaufleute im Laufe des 14. Jahrhunderts fest. Für den Handel mit Russland, in dem etwa Pelze, Holz und Wachs eine große Rolle spielten, war schon Ende des 12. Jahrhunderts die deutsche Kaufmannssiedlung in der Stadt Novgorod ein zentraler Ort.
Die vier Außenposten in Brügge, London, Bergen und Novgorod hat man später (im 16. Jahrhundert) als Kontore der Hanse bezeichnet und an ihnen sieht man ganz gut, bis in welche Gegenden sich der jeweilige Einfluss der Hansestädte erstreckte. Hamburger Kaufleute hatten an der ganzen Fülle des Hansehandels teil. Sie brauchten aber vor allem Getreide aus Mecklenburg, denn Hamburg war der wichtigste Brauort der Hanse. Stadt der Bierbrauerei. Ihr Bier brachten die Hamburger nach Flandern und England und die Gebiete um die Ostsee herum. Im Gegenzug holten sie Salzheringe aus Schonen in Schweden und Trockenfisch aus Norwegen, kauften Pelze, Wachs und Honig in Russland, Eisen und Wolle in England, Stoffe, Getreide und Importwaren aus Südeuropa in Flandern (dem heutigen Holland und Belgien).
Die große Reichweite der Hansekaufleute hing auch mit ihren Schiffen zusammen. So gab es einerseits viele kleinere Schiffstypen, wie etwa Ewer und Kraier, die als Segler in flachen Gewässern nahe der Küste oder in Häfen einsetzbar waren – oder aber die schnellen Schniggen, die auch gerudert werden konnten. Für weite Strecken und größere Ladungen besonders gut geeignet waren aber die Koggen, hohe und bauchige Handelsschiffe mit einem großen Hauptsegel.
Bevor die Kogge im 15. Jahrhundert durch den Holk, ein oft noch größeres und dann auch dreimastiges Handelsschiff ersetzt wurde, war sie seit der Mitte des 12. Jahrhunderts ein vertrauter Anblick in den Häfen rund um Ost- und Nordsee.
Neben dem organisierten Zusammenleben in den Kontoren und dem gemeinsamem Auftreten nach außen gab es vor der Mitte des 14. Jahrhunderts allerdings kaum feste Einrichtungen oder Regeln für die Hansestädte.
Erst als sich mehrere Städte im Jahr 1356 durch die Eroberungen des dänischen König Waldemar IV. bedroht sahen, kamen sie in Lübeck erstmalig zu einem Treffen, einem sogenannten Hansetag, zusammen. Auch wenn danach immer wieder auf solchen Hansetagen über wichtige Fragen, wie die gemeinsame Beteiligung an Kriegszügen oder den Ausschluss (die „Verhansung“) einzelner Mitglieder aus der Hanse beraten und entschieden wurde, nahm immer nur eine verhältnismäßig kleine Zahl – etwa jede 10. – aller Hansestädte daran teil.
Neben dem Tagungsort Lübeck waren auf den Hansetagen besonders häufig mecklenburgische Küstenstädte (darunter etwa Wismar, Rostock und Stralsund) vertreten, die sich in der sogenannten wendischen Hanse zusammengeschlossen hatten. Auch Hamburg war nachträglich Mitglied in diesem Zusammenschluss geworden und oft auf den Hansetagen vertreten.
Allerdings sollte sich der Hamburger Stadtrat dann im Laufe des Spätmittelalters nicht mehr grundsätzlich den Beschlüssen der Hansetage verpflichtet fühlen. Auch weil Hamburg durch seine Ausrichtung auf die Nordsee nicht in dem gleichen Maße (oder zu anderen Zeitpunkten) von den Problemen betroffen war wie die Städte an der Ostsee, die auf den Versammlungen dominierten, verhielt es sich oft zurückhaltend.
Das lag auch daran, dass Hamburg schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts zu den größeren Städten Norddeutschlands zählte und stärker wuchs als seine Nachbarstädte. Die Hamburger Fernhändler organisierten sich in sogenannten Fahrergesellschaften (Schonenfahrer, Englandfahrer, Flandernfahrer). Auf diesem Wege nahmen sie Einfluss auf die Entscheidungen des Stadtrats: Sie prägten die Beziehungen der Hamburgs zu anderen Herrschern und die Entscheidungen über das Zusammenleben in der Stadt. Somit konnten sie eine eigenständige und selbstbewusste Handelspolitik betreiben und waren immer seltener auf die Unterstützung der Hanse angewiesen.
Grundlegende Literatur:
Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos; Textband zur Hamburger Hanse-Ausstellung von 1989, hg. v. Jörgen Bracker, Volker Henn und Rainer Postel, Lübeck ²1998.
Dollinger, Philippe: Die Hanse; neu bearbeitet von Volker Henn und Nils Jörn, Stuttgart 62012 (Kröners Taschenausgabe; Bd. 371).
Friedland, Klaus: Die Hanse, Stuttgart 1991.
Hammel-Kiesow, Rolf: Die Hanse, München 42008 (Beck‘ sche Reihe; Bd. 2131).
Ders. und Puhle, Matthias: Die Hanse, Darmstadt 2009.
Jahnke, Carsten: Die Hanse, Stuttgart 2014 (Reclams Universal-Bibliothek; Bd. 19206).
Paulsen, Reinhard: Schifffahrt, Hanse und Europa im Mittelalter. Schiffe am Beispiel Hamburgs, europäische Entwicklungslinien und die Forschung in Deutschland, Köln 2016 (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte, Neue Folge; Bd. 73).
Selzer, Stephan: Die mittelalterliche Hanse, Darmstadt 2010 (Geschichte kompakt).
Bildnachweise:
Abb. Titelfeld: Kraweel Lisa von Lübeck beim Hafengeburtstag 2017, Foto Dominik Kloss.
Abb. Thementext: Modell der Bremer Kogge, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Modell_der_Bremer_Kogge_von_1380.jpg) / Vom Schiffsrecht, Hafenszene aus dem Stadtrecht 1497, © HAB http://digilib.hab.de/mss/ed000058/start.thm?image=00540. / Haupthandelsrouten der Hanse im nordeuropäischen Raum, nach Wikimedia Commons (https://de.wikipedia.org/wiki/Hanse#/media/File:Haupthandelsroute_Hanse.png). / Kogge Ubena von Bremen beim Hafengeburtstag 2016, Foto Dominik Kloss.