Silke Urbanski
Rom als zentraler Ort des Christentums – aber ein Papst in Hamburg?
Der Papst gilt als Nachfolger des Apostels Petrus und bis heute als Oberhaupt der katholischen Kirche. Der Apostel Petrus starb in den Christenverfolgungen unter Kaiser Nero 64 in Rom und ist dort begraben.
Rom wurde in der Geschichte des frühen Christentums zum Zentralort, da es die beiden Gräber der „Apostelfürsten“ Petrus und Paul beherbergt. So konnten sich die Bischöfe von Rom ab dem zweiten Jahrhundert als Papst und Primus der katholischen Kirche etablieren. Diese Vorrangstellung wurde im 5. Jahrhundert gefestigt. Bis zur Abtrennung der Ostkirche 1054 war der Papst der geistliche Herr über alle Christen. Papst Gelasius I. entwickelte die Zweigewaltenlehre, nach der den weltlichen Herrschern zwar die höchste Würde unter den Menschen zukam, aber die Geistlichkeit vor Gott für sie einzustehen hatte und somit eine höhere Autorität hatte. Die Frage der höheren Macht war im frühen und hohen Mittelalter immer wieder Anlass für Konflikte zwischen Päpsten und Fürsten. Die führte langfristig dazu, dass ein Papst in Hamburg starb.
Die Anbindung der Ostkirche an das lateinische Papsttum Roms schwand, als das Byzantinische Kaisertum Italien nicht mehr schützte, weil es sich auf die Abwehr des aufblühenden Islam konzentrierte. Das lateinisch-römische Papsttum stützte sich auf die Mission in Westeruopa. Ein wichtiger Schritt war die Taufe des fränkischen Herrschers Chlodwig. Die in der Folge bekehrten Franken, Germanen und Sachsen verehrten den Heiligen Petrus in besonders hohem Maße als Himmelspförtner und Apostelfürsten. So wurde das Ansehen des römischen Papsttums gestärkt. Als der in Italien bedrängte Papst Stefan II. den gewählten Frankenkönig Pippin um Hilfe bat, schwor dieser im Jahr 754, das Papsttum zu schützen. Er förderte die Entwicklung des Kirchenstaats. Sein Sohn Karl d. Große betrachtete Kaiser und Papst als gleichrangig. Seine gesicherte Herrschaft erlaubte ihm dies. Dennoch wurde seine Krönung und Salbung zu Weihnachten des Jahres 800 durch Papst Leo III. zur Norm. Von nun an beanspruchten die Päpste das Vorrecht der Kaiserkrönung.
Das Schwinden der kaiserlichen Macht unter seinen Nachfolgern und die Aufteilung des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 943 führten dazu, dass das Papsttum unter den Einfluss lokaler Fürsten aus dem Umfeld der Stadt Rom geriet. Es gab Absetzungen, Amtsmissbrauch und Doppelpäpste. Das späte neunte und das zehnte Jahrhundert wird daher das „Dunkle Jahrhundert des Papsttums“ genannt. In dieser Zeit verschlug es einen Papst nach Hamburg.
Papst Johannes XII. hatte im Streit mit Lokalfürsten 962 Kaiser Otto I. um Unterstützung gebeten. Otto I. kam nach Rom und wurde von Johannes gesalbt. Doch dieser wandte sich ein Jahr später gegen ihn. Otto berief eine Synode ein und ließ Johannes für unwürdig erklären und Papst Leo VIII. einsetzen. Als der Kaiser wieder abzog, kehrte Johannes XII. zurück und ließ im Jahr 964 wiederum Leo VIII. absetzten. Kurz danach starb Johannes XII., und die Römer wählten am 25. Mai 964 den gebildeten Benedikt V. zum Papst. Doch Kaiser Otto wollte Leo VIII. durchsetzten. Er belagerte Rom, bis der Adel der Stadt Benedikt V. auslieferte. Wieder ließ Otto I. eine Synode einberufen.
Benedikt wurde abgesetzt, ihm wurden die päpstlichen Insignien abgenommen und Leo VIII. zerbrach persönlich seinen Hirtenstab über dem knieenden Benedikt.
Doch er blieb Diakon, also Priester mit hoher beratender Funktion. Aber er musste Rom verlassen. Adaldag, der damalige Bischof von Hamburg-Bremen war Kanzler des Kaisers. Er nahm den abgesetzten Benedikt mit nach Norden, nach Hamburg.
Dort kam Benedikt 964 an. Er fand in der Wallringfestung eine hölzerne Kirche vor, die Häuser waren aus Holz, Lehmbewurf und Stroh. Doch die Kirche war mit Kirchenbüchern und Reliquien ausgestattet. Dennoch wurde der gebildete Römer hier nicht heimisch. Im folgenden Jahr musste er erfahren, dass sein Widersacher Leo am 1. März in Rom gestorben war. Aber ihm blieb die Rückkehr in die Heimat verwehrt. Er wurde todkrank und starb am 4. Juli 965.
Vorher soll er Hamburg verwünscht haben. Er weissagte, dass die Stadt verwüstet würde und wilde Tiere würden in ihr wohnen, wenn er nicht in seiner Heimat beerdigt würde. Im Jahr 983 erhoben sich slawische Stämme und zerstörten die Hammaburg erheblich. Erzbischof Adaldag war nicht vor Ort. Die Menschen gingen sofort an den Wiederaufbau, schützten die Siedlung durch eine verbesserte Verteidigungsanlage, nämlich den Heidenwall, welcher sich quer über die Landzunge zog, auf der Hamburg lag. Der letzte Wunsch des Papstes wurde nicht vergessen. Im Jahr 999 wurden seine Gebeine aus dem Grab genommen und nach Rom gebracht.
Die Hamburger behielten das leere Grab im Gedächtnis. Als 256 Jahre später an der Stelle der einfachen Holzkirche, in der man Benedikt V. begraben hatte, der große Mariendom eingeweiht wurde, war noch bekannt, dass hier einst ein Papst beigesetzt worden war. Um 1280 herum ließ der Ratsherr Nicolas Franzoyser in Frankreich wertvolle Kacheln brennen, und man errichtete dem Papst ein Gedenkgrab ohne Inhalt. Es war ungefähr 25 cm hoch. Auf der Platte war ein Bild des Papstes zu sehen, an den Seiten Heilige und Ritter.
Im 17. Jahrhundert war es in Vergessenheit geraten. 1782 wollte das Hamburger Domkapitel die Kirche noch einmal umbauen. Das Leergrab wurde zerschlagen und die Kachelreste in eine Grube geworfen. Der ganze Dom wurde 1805 abgerissen. Um 1949 wurden einige wenige Kachelreste wiedergefunden, und die Erinnerung an den abgesetzten Papst lebte wieder auf.
Gerhard Theuerkauf gewidmet
Grundlegende Literatur:
Busch, Ralf: Ein Papst in Hamburg. Ein historisches Essay über Benedikt V. Hamburg 1999.
Franz, Angelika: Da lag der Papst begraben. Archäologen haben in Hamburg Teile einer 750 Jahre alten Ehrengruft für Papst Benedikt V. gefunden, in: Die Zeit (2005,34) (18. Aug.), S. 31.
Schieffer, Rudolf: Benedikt V. in: Lexikon des Mittelalters I, München, Zürich 1980, Sp. 1858.
Weiss, Rainer-Maria, Mythos Hammaburg – Fakten und Fiktionen zur Frühgeschichte Hamburgs, in: Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs, hg. v. Rainer-Maria Weiss und Anne Klammt, Hamburg 2014 (Veröffentlichung des Helms-Museums, Museum für Archäologie Hamburgs, Stadtmuseum Harburg; Bd. 107), S. 17-53.
Ders: Papst Benedikt V. – Exil in der Hammaburg, in: Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs, hg. v. Rainer-Maria Weiss und Anne Klammt, Hamburg 2014 (Veröffentlichung des Helms-Museums, Museum für Archäologie Hamburgs, Stadtmuseum Harburg; Bd. 107), S. 47.
Bildnachweise:
Abb. Titelfeld: Kreuzfibel vom Domplatz; Replik, aus: Mythos Hammaburg; Ausstellungskatalog Archäologisches Museum Hamburg 2014, S. 283, Abb. 2 (T. Weise).
Abb. Thementext: Virtuelle Rekonstruktion Hammaburgs (von Norden) vor 845, aus: Mythos Hammaburg; Ausstellungskatalog Archäologisches Museum Hamburg 2014, S. 108-109, Taf. 5 / Papst Benedikt V. in Hamburg, Zeichnung Julia Schoeler, ASG. / Zeichnung des Papstgrabes (Amandus Hensel), Staatsarchiv Hamburg, StAHH 720-1_131-05. / Scherben des Leergrabs für Benedikt V., aus: Mythos Hammaburg; Ausstellungskatalog Archäologisches Museum Hamburg 2014, S. 47, Abb. 2.
Alle Abbildungen des amh wiedergegeben mit der freundlichen Erlaubnis von Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss, amh.