Die Wikinger und der Überfall auf Hamburg

Silke Urbanski

Wer waren die Wikinger?

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Schwertfund aus der Elbe

Wikinger ist die Bezeichnung für Krieger aus Skandinavien, die im frühen Mittelalter in ganz Europa Dörfer, Städte, Klöster und Kirchen ausraubten und ihre Bewohner als Sklaven fortführten. In Norwegen, Schweden und Dänemark lebten sie in umhegten Höfen , die um ein Haupthaus herum angelegt waren. Häuptlingssitze boten Platz für mehrere hundert Menschen. Zudem gab es ab dem 8. Jahrhundert planmäßig angelegte Dörfer, die aus mehreren solcher Höfe bestanden. Zur gleichen Zeit entwickelten sich frühstädtische Anlagen zu internationalen Handelsplätzen. Landwirtschaft und Fischerei sicherten das Überleben. Handel und Kriegszug brachten Wohlstand. So sind zahlreiche der in Skandinavien gefundene Gegenstände fremder Herkunft als Beutegut anzusehen. Münzen aus allen Regionen Europas mögen vom Danegeld stammen, das die Wikinger erpressten, wenn sie Dörfer, Städte oder ganze Regionen verschonten.

Die Eroberungszüge und Handelsunternehmungen der Wikinger umfassten nahezu alle Küsten und viele Flüsse Europas

Auch wenn schon aus dem 6. Jahrhundert Berichte von Überfällen von Skandinaviern auf Europa vorliegen, begann das Zeitalter der Wikingerraubzüge mit dem Überfall auf das nordenglische Kloster Lindisfarne im Jahr 793. Gegen 800 galten die Wikinger als eine allgemeine Bedrohung in Europa. Im 9. Jahrhundert, zur Zeit des Überfalls auf Hamburg, raubten und mordeten Wikingerheere in Großbritannien, Irland und an allen Küsten Westeuropas. Sie nutzten die Schwäche der europäischen Herrscher geschickt aus. Größte Erfolge waren die dauerhafte Niederlassung in weiten Teilen Englands und die Belehnung des Wikingers Rollo mit dem Herzogtum der Normandie.

Entlang den Flüssen Russlands bildeten Skandinavier mit Waffeneinsatz Handelsstützpunkte aus, eroberten Siedlungen wie Novgorod und Kiew. Sie wurden Waränger oder Rus genannt. Ihre Handelsverbindungen, oft finanziert durch die Tribute der eroberten Gebiete, reichten bis Byzanz und Arabien.

Wikingerschiffe in einer Graphic Novel

Im Jahr 845 überfielen Wikinger Hamburg.

Ansgar, der Gründer des Missionsbistums, hatte in Skandinavien versucht, die Christianisierung voranzutreiben.

Fibeln mit Heiligendarstellung (hier Maria) sind ein Indiz für die frühe Christianisierung in Hamburg und Umgebung

Kaiser Ludwig der Fromme, welcher Ansgar beauftragt hatte, lag im Streit mit dem dänischen König. Schon vor dem Tod König Gutfreds von Dänemark, der versucht hatte, Einfluss in den Gebieten der Sachsen und Wenden, also in Nordelbien und in Friesland, zu gewinnen, hatte Ludwig sich mit einem seiner Konkurrenten um den dänischen Thron verbündet. Dieser Harald Klak wurde Christ und beriet Ansgar. Doch er unterlag im Streit um den Thron. Der neue König Horik I. lag in Gegnerschaft zum Kaiser und zu Harald Klak. So mag er den Überfall auf Hamburg angeordnet haben, bei der die Siedlung, die Wallringburg und die Kirche zerstört wurden. Ansgar floh mit seinen Priestern, als die Langboote die Elbe hinaufkamen. Der ritterliche Vogt der Stadt war nicht anwesend, die Siedlung ohne Verteidigung.

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Handelsschiff auf der Elbe

Die Kirchenausstattung ging verloren, einiges wurde von Ansgar mit nach Bremen genommen. Da Wikinger nicht nur Wertgegenstände und Vorräte raubten, sondern auch Sklavenfänger waren, mag dieses Schicksal die Anwohner von Hamburg getroffen haben, die nicht fliehen konnten.
Im gleichen Jahr wurde Paris angegriffen. Der Anführer jenes Raubzugs hieß Regnar, er mag auch der Heerführer des Überfalls auf Hamburg gewesen sein.
Die Hammaburg war der Ausgangspunkt der Mission in Skandinavien. Im neunten Jahrhundert wurde die Christianisierung von vielen Skandinaviern mit Argwohn beäugt, weil sie vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ausging. Darin kann ebenfalls ein Grund für den Angriff auf Hamburg gesehen werden.
Erst im Jahre 965, nach der Taufe des dänischen König Harald Blauzahn, konnte sich das Christentum in Skandinavien etablieren.

Gerhard Theuerkauf gewidmet

 

Grundlegende Literatur:

Capelle, Torsten: Die Wikinger auf dem westeuropäischen Kontinent. Normannische Aktionen und karolingische Reaktionen – eine historisch-archäologische Spurensuche entlang von Flüssen, in: Deutsches Schiffahrtsarchiv 29 (2006), S. 7-57.

Hardt, Nis und Kjer Michaelsen, Karsten: Wikinger. Zwischen Ribe, Haithabu und Hamburg, Heide 1994.

Jöns, Hauke und Segschneider, Martin: Zur Rolle und Struktur Hamburgs als frühmittelalterlicher Handelsplatz – Aktuelle Forschungen an Emporien und Handelsplätzen des Nord- und Ostseeraums im Vergleich, in: Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs, hg. v. Rainer-Maria Weiss und Anne Klammt, Hamburg 2014 (Veröffentlichung des Helms-Museums, Museum für Archäologie Hamburgs, Stadtmuseum Harburg; Bd. 107), S. 447-469.

Lund, Niels: Wikinger, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 9, München 1998, Sp. 98-106.

Mäkeler, Hendrik: Die Wikinger im Frankenreich, in: Die Wikinger, München 2008, S. 226-240.

 

Bildnachweise:

Abb. Titelfeld: [Schiff im Reichenstraßenfleet] Virtuelle Rekonstruktion Hammaburgs zur Zeit Ansgars (vor 845), aus: Mythos Hammaburg; Ausstellungskatalog Archäologisches Museum Hamburg 2014, S. 54-55, Tafel 3 (Ausschnitt).

Abb. Thementext: Schwertfund aus der Elbe, Foto Archäologisches Museum Hamburg / Karte Wikingerzüge, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:WikingerKarte.jpg?uselang=de) / Wikingerschiffe aus einer Graphic Novel, aus: Jens Natter: Hammaburg, Hamburg 2020 / Hamburg, Streufund aus der Hammaburg. Scheibenfibel mit doppeltem Perlrand und dem Releif der betenden Maria (Maria Orans) aus vergoldetem Kupfer, aus: Mythos Hammaburg; Ausstellungskatalog Archäologisches Museum Hamburg 2014, S. 270, Abb. 4 / [Schiff im Reichenstraßenfleet] Virtuelle Rekonstruktion Hammaburgs zur Zeit Ansgars (vor 845), aus: Mythos Hammaburg; Ausstellungskatalog Archäologisches Museum Hamburg 2014, S. 54-55, Tafel 3.

Alle Abbildungen des amh wiedergegeben mit der freundlichen Erlaubnis von Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss, amh.