Angela Schwarz
Dreigemeindeverband
Seit 1671 waren die Hamburger Juden mit den im dänischen Altona und den im preußischen Wandsbek ansässigen Juden im sog. Dreigemeindeverband (AHW) zusammengeschlossen. Der Altonaer Oberrabbiner galt als höchste Autorität in religiösen und zivilrechtlichen Fragen.
Außerdem gab es die kleine, ehemals bedeutende Gemeinde der portugiesischen oder sephardischen Juden, die nach einem anderen Kultus lebten. Das Gemeindeleben und die Lebensführung des Einzelnen waren nach den traditionellen religiösen Gesetzen ausgerichtet. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kam es im gesamten Judentum und auch in der Dreigemeinde zu inneren Krisen.
Der jüdische Philosoph Moses Mendelssohn (1729 – 1786) fand einen Lösungsweg, indem er die Ideen der allgemeinen Aufklärung aufgriff. Ausgehend vom Toleranzgedanken sprach er sich für die Trennung von Staat und Religion aus und erklärte den Glauben für individuell. Mendelssohn übersetzte religiöse jüdische Schriften ins Deutsche, um den Juden die deutsche Sprache und Kultur nahe zu bringen. Sprachbarrieren verhinderten nach seiner Meinung nicht nur den Kontakt zur Gesellschaft, sondern gaben auch Anlaß zu antijüdischen Vorurteilen. Er wurde mit seinen neuen Denkansätzen zum Wegbereiter der Haskala (jüdischen Aufklärung) und stand auch mit nichtjüdischen Philosophen und Schriftstellern im Austausch. 1781 veröffentlichte der preußische Diplomat Christian Konrad Wilhem (von) Dohm eine Schrift über das Thema einer bürgerlichen Verbesserung der Juden, womit eine langwierige und kontroverse Diskussion ausgelöst wurde. Zahlreiche Autoren publizierten in Hamburg und Altona.
Die Mehrheit der Juden lebte vom Klein- und Hausierhandel. Handwerker waren nur für innerjüdische Belange zugelassen, und für die Gemeinde stellte die Bekämpfung der Armut eine große Herausforderung dar. Aber es gab auch einige erfolgreiche Bankiers, Makler, Fabrikanten und vor allem Kaufleute, denn die Beschränkungen im Handel waren gering. Diese jüdischen Kaufleute waren von Bedeutung für die Hamburger Wirtschaft, daher vom Senat geschätzt. Sie pflegten auch Geschäftsbeziehungen zur eher liberalen Hamburger Kaufmannschaft. Daraus entwickelten sich manchmal auch private Kontakte, die jedoch auf kleine Kreise beschränkt blieben. Die Mehrheit der Bevölkerung stand den Juden gleichgültig bis ablehnend gegenüber, und von jeglicher Teilhabe am politischen Geschehen waren sie ausgeschlossen.
Literatur:
Das Jüdische Hamburg – ein historisches Nachschlagewerk, hg. v. Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Göttingen 2006.
Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. 2: Emanzipation und Akkulturation: 1780–1871, hg. v. Michael A. Meyer, München 1996.
Die Hamburger Juden in der Emanzipationsphase (1780–1870), hg. v. Peter Freimark und Arno Herzig, Hamburg 1989 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden; Bd. XV).
Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990. Wissenschaftliche Beiträge der Universität Hamburg zur Ausstellung „Vierhundert Jahre Juden in Hamburg“, hg. v. Arno Herzig, Hamburg 1991.
Freimark, Peter: Die Dreigemeinde Hamburg-Altona-Wandsbek im 18. Jh. als jüdisches Zentrum in Deutschland, in: Das alte Hamburg (1500–1848/49). Vergleiche, Beziehungen, hg. v. Arno Herzig, Berlin 1989 (Hamburger Beiträge zur öffentlichen Wissenschaft; Bd. 5), S. 191-208.
Graupe, Heinz Mosche: Die Statuten der drei Gemeinden Altona, Hamburg und Wandsbek, Hamburg 1973 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden; Bd. III, Teil 1).
Haarbleicher, Martin Moses: Zwei Epochen aus der Geschichte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg. Hamburg 1867.
Kopitzsch, Franklin: Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklärung in Hamburg und Altona, Hamburg ²1990 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs; Bd. 21).
Marwedel, Günter: Die Privilegien der Juden in Altona, Hamburg 1976 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden; Bd. V). .
Schulte, Christoph: Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte, München 2002.
Die Sefarden in Hamburg. Zur Geschichte einer Minderheit (2 Bde.), hg. v. Michael Studemund-Halévy, Hamburg 1994-1997 (Romanistik in Geschichte und Gegenwart; Bd. 29).
Bildnachweise:
Abb. Titelfeld: Altonaer Synagoge von 1771 (Ausschnitt), nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Synagoge_Neve_Shalom.jpg?uselang=de).
Abb. Thementext: Mendelssohn-Porträt: Moses Mendelssohn. Gemälde von Anton Graff (1736-1813), nach Wikimedia Commons (https://de.wikipedia.org/wiki/Moses_Mendelssohn?uselang=de#/media/File:Moses_Mendelson_P7160073.JPG) / Altonaer Synagoge von 1771, nach Wikimedia Commons (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Synagoge_Neve_Shalom.jpg?uselang=de) / Losverkäufer: Christoffer Suhr, Hamburger Ausruf S. 26, nach: http://www.bilddatenbank-juedische-geschichte.de/archivbilder/00770.